Anita Blake 06 - Tanz der Toten
Schlafzimmer war hellgrün gestrichen, vor dem Bett lag ein bunter Teppich, der leuchtete wie ein Glasmosaik. Das Bett war ein wuchtiges Ding mit vier Pfosten, und trotz seiner Verletzungen hatte er es ordentlich gemacht und eine rote Tagesdecke darüber gezogen. Er hatte drei davon, die er abwechselnd benutzte: eine grüne, eine blaue und die rote. Jede griff eine Farbe aus dem Teppich auf und passte auch zu dem Bild über dem Bett. Das Gemälde war eine Winterszene mit Wölfen. Die Wölfe schauten aus dem Bild heraus, als wäre man eben hinter einem Baum hervorgetreten und hätte sie überrascht. Ein Hirsch mit zerbissener Kehle lag blutend im Schnee. Eine seltsame Wahl für ein Schlafzimmer, aber andererseits auch passend. Ich jedenfalls mochte es. Es war wie bei allen guten Gemälden: Die Szene schien weiterzugehen, sobald man den Raum verließ, als sei das Leben nur zeitweilig auf der Leinwand eingefangen. Die grüne Decke passte zu den Nadelbäumen, die blaue setzte die verwaschene Farbe des Himmels und der Schatten fort, die rote entsprach dem Blut im Schnee.
Richard lag auf dem Bauch, quer über den roten Stoff ausgestreckt. Er war vollkommen nackt, die Jeans hatte er in eine Ecke des Bettes geworfen. Auf dem Rot sah seine braune Haut so weich und unglaublich verlockend aus.
Mir stieg die Hitze ins Gesicht, als ich den Linien seines Körpers bis über die glatten Flächen des Gesäßes folgte. Lillian nähte dicht darunter einen halbkreisförmigen Riss. Ich sah weg.
Bei unserer ersten Begegnung hatte ich Richard nackt gesehen, aber seitdem nicht mehr. Damals dachten wir noch gar nicht daran, etwas miteinander anzufangen. Jetzt musste ich hauptsächlich deshalb wegsehen, weil ich tatsächlich hingucken wollte. Ich wollte ihn betrachten, und das war mir unsagbar peinlich. Ich studierte den Inhalt der Regale, als müsste ich mir jeden Gegenstand einprägen. Meine Quarzstücke, ein Vogelnest, eine fossile Koralle von der Größe meiner Hand in einem dunklen, satten Goldton mit quarzweißen Streifen. Ich hatte sie bei einem Campingurlaub gefunden und ihm geschenkt, weil er dergleichen sammelte und ich nicht. Ich berührte sie und wollte mich nicht umdrehen.
»Du hast gesagt, du willst reden, dann rede«, begann Richard.
Ich warf einen Blick über die Schulter. Lillian schnitt den schwarzen Faden ab, mit dem sie die Wunde geschlossen hatte. »So«, sagte sie. »Da sollte keine Narbe zurückbleiben.«
Richard verschränkte die Arme auf dem Bett und legte sein Kinn darauf. Sein Haar wellte sich um sein Gesicht und verlockte zum Anfassen. Es war so weich, wie es aussah.
Lillian sah von einem zum andern. »Ich glaube, ich lasse euch beide allein.« Sie begann, ihre Tasche einzupacken, die aus braunem Leder war und mehr wie eine Anglertasche aussah. Sie sah Richard an, dann mich. »Nehmt den Rat einer alten Dame an. Vermasselt es nicht.«
Wir sahen ihr hinterher, als sie aus dem Zimmer ging. »Du kannst dich jetzt anziehen«, sagte ich.
Er schaute zu seinen zerknüllten Jeans und bewegte nur die dunklen Augen. Dann kehrten sie zu mir zurück und waren so zornig, wie ich sie noch nie gesehen hatte. »Warum?«
Ich riss mich zusammen, um seinem Blick zu begegnen und nicht seinen Körper anzustarren. Es fiel mir schwerer, als ich laut zugegeben hätte. »Weil es schwer ist, mit dir zu streiten, wenn du nackt bist.«
Er stützte sich auf einen Ellbogen, und die Haare fielen ihm ins Gesicht, sodass er mich durch einen goldbraunen Vorhang ansah. Das erinnerte mich an Gabriel und war höllisch entnervend.
»Ich weiß, dass du mich begehrst, Anita. Ich kann es riechen.« Diesen Satz hatte ich gerade noch gebraucht. Ich wurde schon wieder rot, zweimal in fünf Minuten. »Du bist eben hinreißend. Na und? Was zum Teufel hat das mit der ganzen Sache zu tun?«
Er richtete sich auf Hände und Knie auf. Ich wandte so schnell den Blick ab, dass mir schwindelte. »Bitte, zieh dir die Hose an.« Ich hörte ihn vom Bett aufstehen. »Du kannst mich nicht einmal ansehen, wie?«
Er sagte das auf eine Art, dass ich gern sein Gesicht gesehen hätte, aber ich konnte mich nicht umdrehen. Ich konnte es einfach nicht. Wenn das unser letzter Streit sein sollte, wollte ich nicht den Anblick seines Körpers in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Das wäre zu grausam.
Er stellte sich hinter mich. »Was willst du von mir, Richard?« »Sieh mich an.« Ich schüttelte den Kopf. Er
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