Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
auf den Satz, das sei bloß ein Witz gewesen. Stattdessen sah er mir in die Augen. Ich guckte ihn starr an, weil ich mich nicht traute, die anderen anzusehen. Eine mitleidige Miene, und ich würde anfangen zu heulen. Ein erotischer Blick, und ich würde verrückt werden.
»Was soll ich tun?«, fragte ich tonlos. Es klang unendlich müde.
»Du musst dich sättigen, und wir helfen dir dabei. Wir werden dich schützen.«
Jetzt wagte ich doch noch, die anderen anzusehen. Alle machten ein sorgfältig neutrales Gesicht, und Nathaniel schaute auf die Bettdecke, als könnte ich bei Blickkontakt schwach werden. Kluger Junge.
»Na schön, aber ich denke, es geht auch ohne Kondome.«
»Wie denn, ma petite?«
»Nathaniel kann sich seine Shorts anziehen, und ich meine Pyjamahose.«
»Trotzdem -«
Ich hob die Hand, und Jean-Claude verstummte. »Sie können meinetwegen das Kondom unter der Hose tragen, aber wenn ich Nathaniel sage, er soll nicht ... dann tut er es auch nicht, das weiß ich genau.« Dabei sah ich Jason drohend an.
»Ich werde brav sein«, sagte er.
»Ich habe keine Angst, dass Nathaniel dir nicht gehorcht, ma petite.«
Sein Tonfall lenkte meine Aufmerksamkeit von Jason ab. »Wie meinst du das?«
»Ich fürchte vielmehr, dass er dir in allem gehorcht.«
Ein paar Augenblicke lang sahen wir uns schweigend an. Ich begriff, was er meinte. Ich hätte gern behauptet, auf keinen Fall von Nathaniel oder Jason zu verlangen, es mit mir zu tun, aber Jean-Claudes wissender Blick hielt mich davon ab.
»Wie stark werde ich die Kontrolle verlieren?«, fragte ich.
»Das weiß ich nicht.«
»Ich bin es wirklich leid, das immer wieder zu hören.«
»Und ich, es immer wieder zu sagen.«
Schließlich gab ich es auf. »Was werden wir also tun?«
»Ihr zieht euch alle eine Hose über, und wir sättigen uns.«
Und so sehr mir das zuwider war und so gern ich es bestritten hätte, er hatte recht: Es war notwendig. Ich hatte mir so viel Mühe gegeben, kein Soziopath zu sein, weil ich glaubte, das mache mich zum Monster. Ich hatte ja keine Ahnung gehabt. Ich würde mich in Zukunft an Menschen sättigen müssen, zwar nur an ihrer Lust und nicht an ihrem Fleisch oder Blut, aber als Nahrung würden sie mir trotzdem dienen. Da sehnte ich mich glatt nach meinen Zeiten als Soziopath zurück.
18
Irgendwann während des Anziehens kam ich zur Vernunft. Ich saß in Ashers Morgenmantel und den roten Pyjamashorts am Kopfende des Bettes und lehnte mich an das Holz, ohne jemanden anzusehen. Kontrolle war das Kernstück meines Selbstbilds. Die Entscheidung über mein Tun lag bei mir. Ich konnte das hier tun oder auch nicht. Aber ich musste loslassen, weil alles andere nicht ... Ich konnte das nicht.
Die Matratze schwankte, und bei dem Gedanken, dass sich diese vier Männer um mich scharten, verkrampfte ich mich, und mein Puls beschleunigte. Lieber Gott, hilf mir. Das durfte nicht wahr sein. Ich wollte nicht als Vampir enden. Ich war häufig nahe dran gewesen, hatte aber nie geglaubt, dass es wirklich so kommen würde. Ich war noch lebendig, noch immer ein Mensch, aber der Hunger in mir wuchs und drohte hervorzubrechen wie eine Bestie aus dem Käfig, und ich hielt sie nur noch zurück, weil ich die Finger um die Holzkante krallte und die Stirn gegen das Schnitzwerk presste. Mir war nicht klar, gegen welchen Hunger ich eigentlich ankämpfte. Denn die Ardeur durchdrang alles; ob ich nach Fleisch oder Blut oder Sex lechzte, war kaum zu unterscheiden, und das war schon für sich genommen beängstigend.
Jemand kam zu mir gekrochen, und ich wusste, ohne hinzusehen, dass es Jean-Claude war. Ich spürte ihn.
»Ma petite, alle sind vorbereitet. Wir warten nur noch auf dich.«
Ich rührte mich nicht, sondern antwortete mit abgewandtem Gesicht. »Tja, ihr werdet ohne mich auskommen müssen.«
Ich merkte, dass er nach meiner Schulter greifen wollte. »Fass mich nicht an!«
»Ma petite, ma petite, ich würde es dir ersparen, wenn ich könnte, aber ich kann es nicht. Wir müssen das Beste daraus machen.«
Darauf sah ich ihn an. Sein Gesicht war zu nah. Ich blickte direkt in diese dunkelblauen Augen, in das bleiche Gesicht, das von der dunklen Haarpracht umrahmt wurde. Mir kam ein anderes Gesicht in den Sinn, das genauso bleich und von einer dunklen Haarpracht umgeben war, aber braune Augen hatte, braun wie dunkler
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