Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
meine Kosten. Er wusste, dass ich jeden nehmen würde, den er mir anbot, weil mir gar nichts anderes übrig blieb. Ich dachte damals, mich könnte nichts mehr beschämen, doch er zeigte mir, dass es Dinge gab, die ich nicht tun wollte, und ich tat sie trotzdem.«
Hätte er sich nicht so stark gegen mich abgeschirmt, hätte ich gesehen, woran er sich erinnerte, aber das wollte er nicht.
»Ich will dir solche Erniedrigungen ersparen, ma petite. Du bist nicht wie ich damals. Du bist niemals freizügig gewesen. Ich fürchte, was du tun oder von dir denken könntest, wenn du das Gleiche durchmachen würdest wie ich. Ich fürchte, das würde dein Selbstwertgefühl vernichten.«
»Du machst mir Angst«, sagte ich.
»Das ist gut, denn Angst solltest du haben. Asher lernte mich kennen, bevor ich die Ardeur beherrschte. Er kann dir erzählen, wie ich damals war.«
Ich sah Asher wortlos an.
»Ich habe schon bei vielen anderen erlebt, wie die Ardeur in ihnen aufstieg, aber keiner war dabei so rasend wie Jean-Claude«, sagte Asher.
»Also hast du ihm beigebracht, wie man sie in Schach hält?«
»Non. Lissette schickte jemanden zu Belle, um ihr von Jean-Claudes Schönheit zu berichten. Belle schickte daraufhin mich, damit ich, wie soll ich sagen, ihn für sie in Augenschein nehme. Ich riet ihr damals, Jean-Claude und seinen Gebieter nicht an den Hof zu holen.«
»Warum?«
»Ich war eifersüchtig auf seine Schönheit und seine Potenz. Nach zehn Jahren war sie meiner überdrüssig geworden, so fürchtete ich jedenfalls. Und ich wollte mir keinen Rivalen ins Haus holen.«
»Ich lernte ohne fremde Hilfe, die Ardeur in Schach zu halten. Fünf Jahre lang ernährte ich mich von Fleisch und Blut. Erst danach gelang es mir, mich von ferne zu sättigen.«
»Fünf Jahre lang!«, wiederholte ich.
»Erst Belle lehrte mich die wahre Selbstbeherrschung. Aber du sollst mich von Anfang an an deiner Seite haben. Du sollst nicht dasselbe erleben wie ich.« Jean-Claude nahm mich in die Arme, und das machte mir noch mehr Angst. »Ich hätte die endgültige Vereinigung mit dir nicht vollzogen, wenn ich geahnt hätte, dass du meinen Inkubus abbekommst. Wissentlich hätte ich dir das niemals angetan.«
Ich löste mich aus seinen Armen und stellte fest, dass er weinte. Die Angst lag mir wie Blei auf der Zunge und machte mich steif, fast so als hätten Herz und Atmung ausgesetzt.
»Was hast du mir da angetan?«
»Ich dachte zuerst, dass es kein Vampirhunger ist, da du ja kein Vampir bist. Aber nachdem ich dich heute beobachtet habe, weiß ich, dass es dasselbe ist wie bei mir damals. Du musst den Hunger stillen. Du darfst dich nicht verweigern. Wenn du das tust, wirst du wahnsinnig oder Schlimmeres.«
»Nein«, sagte ich.
»Wenn du dem Nimir-Raj widerstanden hättest, würde ich sagen, du bist stark genug. Wenn du das Verlangen, dich an Nathaniel zu sättigen, bezwungen hättest, würde ich sagen, du bist gefeit. Aber du hast dich an ihm gesättigt.«
»Ich hatte keinen Sex mit ihm.«
»Du hast nicht mit ihm geschlafen. Aber war, was du getan hast, nicht in mancher Hinsicht viel befriedigender als Geschlechtsverkehr?«
Ich setzte zu einem Nein an und stutzte. Ich konnte Nathaniels Fleisch noch zwischen den Zähnen spüren, sein Blut schmecken, seine Haut an den Fingern fühlen. Die Erinnerung brachte den Hunger zurück. Er kam wie eine heiße Woge. Es war nicht nur Lust, sondern auch Jean-Claudes Blutdurst und Richards Tier - oder mein Tier - wollte den endgültigen Biss tun und Fleisch zerreißen, ohne jede Zurückhaltung.
Mir kam ein schrecklicher Gedanke. »Selbst wenn ich nur einen Hunger ungestillt lasse, wird die Gier nach allem größer, oder?«
»Wenn ich mir den Sex versage, brauche ich mehr Blut und umgekehrt.«
»Ich habe nicht nur deinen Blutdurst, Jean-Claude, sondern auch Richards Hunger nach Fleisch. Ich wollte Nathaniel aufreißen. Ich wollte von ihm fressen wie ein Raubtier. Wird das ebenfalls schlimmer werden?«
Jean-Claude bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht. Ich packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. »Nein! Schluss mit dem Versteckspiel! Wird es schlimmer?«
»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.«
»Weich mir nicht aus! Wird es schlimmer?«
»Ich nehme es an.« Seine Stimme war äußerst sanft.
Ich ließ ihn los und kroch zurück ans Kopfende, starrte ihn an und wartete
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