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Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts

Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts

Titel: Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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musste. Dann verschwand das Bild wie abgeschaltet. Der Angekettete war ein Mann gewesen. Das waren Jean-Claudes Erinnerungen, nicht meine. Und als er gemerkt hatte, dass ich sie von ihm empfing, hatte er die Verbindung gekappt.
     
    Ich sah ihn voller Schrecken und Mitgefühl an. Wegen meiner Haare konnte Narcissus mein Gesicht nicht sehen, und ich war froh darüber, denn in dem Moment hätte ich keine Gleichgültigkeit vorspielen können. Jean-Claude hielt den Blick auf Narcissus gerichtet. Ich drängte meine Tränen zurück, und Jean-Claudes Miene gab nichts preis.
     
    Er hatte nicht an Narcissus' Misshandlungen gedacht, sondern an andere, zahllose andere. Es waren nicht die Schmerzen, die mich so mitnahmen, sondern die Verzweiflung. Die Vorstellung, dass er ... Sein Körper hatte nicht ihm selbst gehört. Er war kein Stricher gewesen oder besser gesagt, er hatte Sex nie für Geld verkauft, aber für Macht, gemäß der Laune seines jeweiligen Meisters, und seltsamerweise für Sicherheit. Jahrhundertelang hatte er mit Sex gehandelt. Das war mir immer klar gewesen, aber ich hatte ihn mir dabei als Verführer vorgestellt. Aber was ich gerade gesehen hatte, hatte mit Verführung nichts zu tun.
     
    Richard stieß einen kleinen Laut aus, und ich drehte mich zu ihm um. Seine Augen schwammen in Tränen. Ihm stand dasselbe starre Entsetzen im Gesicht wie mir. Wir sahen uns an, dann rollte bei ihm eine Träne, und mir floss ein heißer Strom über die Wangen.
     
    Er griff nach meiner Hand. Wir drehten uns wieder zu Jean-Claude, der weiter mit Narcissus redete, obwohl ich kein Wort mehr mitbekommen hatte. Narcissus war dicht an uns herangekrochen. Sein Interesse galt nach wie vor allein Jean-Claude.
     
    »Süßer, süßer Jean-Claude, ich glaubte, dich vergessen zu haben, aber als ich dich vorhin mit den beiden auf dem Boden liegen sah, kam die Erinnerung zurück.« Er streckte die Hand aus, um ihn anzufassen, aber Richard packte sein Handgelenk.
     
    »Fass ihn nicht an. Fass ihn nie wieder an.«
     
    Narcissus blickte zwischen den beiden hin und her. »Wie besitzergreifend. Das muss wahre Liebe sein.« Ich saß in der ersten Reihe und konnte beobachten, wie die Muskeln an Richards Unterarm spielten, während er das zierliche Handgelenk quetschte.
     
    Narcissus lachte, und seine Stimme bebte, aber nicht vor Schmerzen. »Solche Kraft, solche Leidenschaft. Würde er mir das Gelenk zermalmen, weil ich deine Haare streicheln wollte?« Er klang amüsiert und erregt, wurde mir plötzlich klar. Das gewaltsame Festhalten, die Drohung, der Schmerz ... er genoss es.
     
    Richard erkannte das ebenfalls. Aber er ließ nicht los. Stattdessen riss er den Mann aus dem Gleichgewicht, sodass er gegen ihn fiel. Narcissus keuchte überrascht. Richard hielt ihn mit der einen Hand fest, mit der anderen griff er ihm um den Hals. Er drückte nicht zu, sondern spannte die langen, dunklen Finger über Narcissus' blasse Haut.
     
    Ajax war derweil näher gekommen, und Asher bewegte sich auf Ajax zu. Jetzt konnte es ganz schnell ganz übel werden. Normalerweise war ich es, die die Beherrschung verlor und die Lage verschlimmerte, nicht Richard.
     
    Narcissus musste gespürt haben, was hinter ihm vorging. »Schon gut, Ajax, schon gut. Richard tut mir nicht weh.« Dann blieb ihm plötzlich die Luft weg, und er sagte gepresst: »Du darfst mir das Handgelenk zerquetschen, wenn es zum Vorspiel gehört. Wenn aber nicht, werden meine Leute dich umbringen und die anderen auch.« Nüchterne Worte, aber kein nüchterner Ton. Man hörte ihm an, dass es weh tat, aber auch, dass er Richards nächster Reaktion mit freudiger Erregung entgegensah, egal, wie sie ausfiele.
     
    »Gib ihm keinen Vorwand, mon ami, liefere uns nicht seiner Gnade aus«, sagte Jean-Claude. »Wir sind heute Nacht Gäste in seinem Haus. Wir schulden ihm die Pflichten des Gastes gegenüber dem Gastgeber, solange er dieses Recht nicht verwirkt.«
     
    Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, worin diese Pflichten gegenüber dem Gastgeber bestanden, aber ich wäre jede Wette eingegangen, dass Knochenbrechen nicht dazu gehörte. Ich fasste Richard sachte an die Schulter, und er zuckte zusammen. Narcissus gab einen kleinen Protestlaut von sich, als hätte Richard unwillkürlich fester zugedrückt.
     
    »Jean-Claude hat recht, Richard.«
     
    »Anita rät dir zur Mäßigung«, sagte Jean-Claude und berührte ihn an der anderen Schulter, »und sie ist sicher die Letzte, der das leichtfällt.

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