Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
irgendjemand.« Ich nahm Cherry, weil sie immer am klarsten Bericht erstattete. Sie war ein kluger Kopf; bei einem Kampf wünschte ich mir allerdings jemand anderen im Rücken. Aber jetzt brauchte ich Informationen, keine Kampftechniken.
Merle neigte höflich den Kopf und sah Micah abwartend an. Der winkte ihn hinaus. Merle öffnete die Tür und sprach leise in den Nachbarraum. Cherry drängte als Erste herein. Sie war groß und schlank, hatte schön geformte Brüste, eine sehr lange Taille, runde Hüften, und noch weiter unten zeigte sich, dass sie von Natur aus blond war. Zog sich denn heute gar keiner was an?
Offen gestanden tat es mal gut, eine Frau zu sehen. Normalerweise macht es mir nichts aus, allein unter Männern zu sein. Bei der Polizei bin ich meistens die einzige. Aber unter Nudisten bin ich immer froh, jemanden ohne Penis zu sehen.
Sie lächelte mich an und wirkte derart erleichtert, dass es mich verlegen machte. Sie umarmte mich, und ich ließ es zu, zog mich aber als Erste zurück. Sie berührte meine Wange, als könnte sie es noch nicht glauben.
»Wie geht es dir?«
Ich zuckte die Achseln, und bei dieser harmlosen Bewegung verkrampfte sich der Arm so sehr, dass ich ihn angewinkelt an mich pressen musste, damit er nicht ausschlug. »Der macht mir Ärger«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Ansonsten geht es mir gut.«
Cherry betastete ihn durch den Ärmelstoff. »Das kommt von der rapiden Heilung. In ein paar Tagen ist es vorbei.«
»Ich werde ihn tagelang nicht gebrauchen können?«
»Die Spasmen werden immer wieder auftreten. Massagen helfen, heiße Umschläge manchmal auch. Ein Muskel muss sehr stark verletzt worden sein, sonst wäre das nicht so schlimm.« Habe ich schon erwähnt, dass Cherry Krankenschwester war, bevor ihr ein Fell wuchs?
»Ich kann dafür sorgen, dass du ihn schon heute wieder gebrauchen kannst«, sagte Micah.
»Wie?«, fragte Cherry erstaunt.
»Ich kann Fleisch beschwören«, sagte er wieder.
Ihrem Gesicht nach zu schließen, wusste sie, was das hieß, und war beeindruckt. Im nächsten Moment schon wirkte sie skeptisch und misstrauisch. Sie war meine Beste. Allerdings hatte ich damit nichts zu tun, denn ihr ausgeprägtes Misstrauen kam von dem ziemlich harten Leben, das sie geführt hatte, bevor wir uns kennenlernten.
Ich überlegte gerade, was »Fleisch beschwören« heißen könnte, als Nathaniel durch die Tür kam. Bei unserer letzten Begegnung hatten allerhand Klingen in ihm gesteckt. Jetzt hatte er nicht mal eine Narbe am Körper.
Ich muss ziemlich freudig und erstaunt geblickt haben, denn er grinste mich breit an und drehte sich einmal um die eigene Achse, damit ich sehen konnte, dass vorne und hinten alles verheilt war. Ich berührte seine Brust, wo ich einen Degen herausgezogen hatte. Die Haut war so glatt, als hätte ich alles nur geträumt. »Ich weiß zwar, dass bei euch fast alles heilt, aber ich staune immer wieder.«
»Irgendwann gewöhnst du dich daran«, sagte Merle mit einem Unterton, der mich aufhorchen ließ. Cherrys und Nathaniels Lächeln war wie weggewischt.
»Was ist los?«, fragte ich.
Die beiden tauschten einen Blick, und Micah fragte: »Darf ich mich um deinen Arm kümmern?«
Ich wollte ihm gerade antworten, dass er mich damit in Ruhe lassen solle, bis mir einer erzählt hatte, was eigentlich los war, doch mein Arm wählte genau diesen Moment, um von den Fingerspitzen bis zur Schulter zu krampfen. Der Schmerz ließ mich in den Knien einknicken. Cherry fing mich ab und stützte mich. Meine Hand sah aus wie bei einem Strychninopfer. Es fühlte sich an, als wollte sich der Arm von innen nach außen krempeln. Cherry hielt fast mein ganzes Gewicht, während ich versuchte, nicht zu schreien.
»Lass ihn den Arm heilen, Anita, wenn er es kann«, sagte sie.
Ganz langsam löste sich der Krampf, und mein Drang zu schreien reduzierte sich auf eine kleinlaute Stimme in meinem Kopf. Meine richtige Stimme kam etwas atemlos, aber klar, ohne Wimmern. »Was heißt noch mal Fleisch beschwören?« Ich stützte mich so schwer auf Cherry, dass nur Höflichkeit sie davon abhielt, mich zu tragen.
Micah trat zu uns. Merle blieb dicht hinter ihm wie ein übereifriges Kindermädchen. »Bei meinen Leoparden kann ich Verletzungen mit meinem Körper heilen«, sagte Micah.
Ich sah Cherry an, dann Nathaniel, der neben ihr stand. Sie nickten auf meine stumme Frage.
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