Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
Oberschwester Biree. Schwieriger würde es jedoch werden, morgen ein paar ihrer Schwestern zu überreden, ihr bei all ihren Vorbereitungen zu helfen, denn sie war nicht die Einzige, die das Gelübde ablegen sollte.
Lavielle war frisch verliebt, hatte großen Liebeskummer, war zum Umfallen müde, aufgekratzt wegen des anstehenden Gelübdes und verwirrt durch die vielen neuen Informationen. Die Last der anstehenden Entscheidungen wog schwer auf ihren Schultern, als sie erschöpft an die Tür ihrer Unterkunft klopfte.
Festgesetzt
(Brakenburg, 12. Tag)
98, 99 und wieder hundert Schritte. Wie ein Berglöwe in einem Käfig lief der junge Krieger in seiner Zelle auf und ab.
Ohne ein Wort der Erklärung hatten sie Ankwin gebunden und später sogar in Ketten gelegt. Jetzt saß er hier im Festungsgefängnis und wusste nicht recht weiter, zu seiner Erleichterung immerhin wieder ohne Ketten.
Als er gesagt hatte, er sei der Neffe des hohen Bungad, hatten sie den jungen Krieger nur hämisch angegrinst.
Ständig hatte er sich gefragt, was das bedeuten mochte. Die Nacht hindurch hatte er kein Auge zugetan. Immer wieder kam er zu dem Schluss, dass nur sein Onkel selbst den Befehl zu seiner Festnahme hatte anordnen können. Er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, weder bei der Verfolgung des Blutboten, noch beim Erzherzog. Wenn er allerdings ehrlich war, wusste er den immer noch nicht richtig einzuschätzen. Hatte der Erzherzog ihm sein forsches Auftreten vielleicht nicht verziehen?
Das Einzige, was er wirklich wusste, war, dass er das Gebot seines Onkels eindeutig gebrochen und sich in den Prozess eingemischt hatte. Aber das war doch nur eine familiäre Anweisung gewesen und wie zum Henker hatte sein Onkel davon erfahren?
Er vermisste Lavielle und Weißwind und auch Villon.
Da fiel es Ankwin wie Schuppen von den Augen. Er hatte den Stallmeister nach dem Weg zum benkrietschen Gut gefragt und Remeli stand ja schließlich in den Diensten seines Onkels. Er schalt sich einen Narren und wusste zugleich um die Lektion, die er dieses Mal gelernt hatte.
Ankwin hatte die Gutmütigkeit seines Onkels über- und die Loyalität eines langjährigen Bediensteten unterschätzt.
Niedergeschlagen grübelte er weiter vor sich hin. Im Nachhinein musste er Onkel Bungad sogar ein Stück weit recht geben, schließlich war er Richter der königlichen Stadt und in dem Prozess ging es um ein Menschenleben.
Der Bärenfelsener bekam beinahe ein schlechtes Gewissen, weil er so impulsiv gehandelt hatte.
Doch durch sein leichtsinniges Vorgehen hatte er Lavielle kennengelernt. Wo war sie jetzt? Er sehnte sich nach ihrer Umarmung. Ankwin schloss die Augen und blieb stehen. Immer wieder schossen ihm Bilder von nackter, weicher Haut durch den Kopf. Er bildete sich ein, Lavielle jetzt noch zu schmecken, und der Duft ihrer Haare hing trotz des hier vorherrschenden Geruchs nach Kot, Urin und Moder immer noch in seinen Kleidern. Wo war sie jetzt? Ging es ihr gut? Hatte Onkel Bungad sie auch festnehmen lassen? Liebte sie ihn überhaupt?
Sie war immerhin eine angehende Heilerin und stand kurz davor, ihr Leben dem Orden zu opfern. Hatte sie vielleicht noch einmal mit einem Mann zusammen sein wollen, bevor ihr das für immer versagt bleiben würde?
Ankwin hasste sich für den Gedanken und versuchte sich zugleich zu beruhigen. Noch stand der Tag ihres Gelübdes ja nicht fest. Das hätte sie ihm ohne Zweifel erzählt. Würde sie ihr Leben statt mit dem Orden mit ihm teilen? Ohne Zweifel?
Die zahllosen Gedanken rasten wild und ungebremst durch seinen Schädel und schienen sich jedes Mal, wenn sie einander trafen, aufs Neue zu teilen. Ankwin griff sich in die ungezähmten Haare, dann schlug er mit der Faust gegen die feuchte Mauer, dass seine Knöchel zu bluten begannen. Der Schmerz verschaffte ihm für einen Moment Klarheit.
Die Stimme seines Lehrers tauchte aus seinen Erinnerungen an die Oberfläche seines Bewusstseins – Der Schmerz gehört zum Kampf wie ein Hornsignal zu einer Schlacht – Schmerz ist nur ein Signal.
Ankwin betrachtete seine blutende Hand. Kein Schwert ist so scharf, wie der Verstand und kein Pfeil findet ohne ihn sein Ziel.
Ankwin musste mit seinem Onkel reden. Das war die einzige Möglichkeit. Er würde ihn überzeugen, dass er blind vor Liebe gehandelt hätte, was ja auch stimmte. Er würde ihm sagen, dass er Lavielle liebte und dass er sie zur Frau nehmen würde.
Der Bärenfelsener drehte den Rücken zur Wand, ließ sich daran
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