Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
wie heißt sie doch gleich?«
»Lavielle, du scheinheiliger Kerl.«
»Ja ... diese Lavielle. Also, was sie angeht, irrst du dich sicher. Ich habe sie bis jetzt erst zweimal gesehen und davon einmal nur ganz kurz, aber ich bin davon überzeugt, dass die Frau, die die Stirn hat, als junge Novizin in der Königsstadt einen aussichtslosen Fall als Verteidigerin zu übernehmen und dich zwei Tage lang auf Trab hält, sich von einem jungen, wenn auch wahnsinnig gut aussehenden Landei wie mir, bestimmt nicht ablenken lässt.« Nun griff auch Ankwin zu.
Ein Hühnchen, eine Traube und eine Scheibe Brot später erwiderte Bungad schließlich kauend, »Du hast recht. Du bist ein Landei, aber unterschätz deine Wirkung auf die Frauen nicht.«
So und ähnlich trieben sie weiter ihre Späße und die Unterhaltung lief mehr und mehr in entspannten Bahnen. Ankwin war froh, dass sie sich nicht wieder stritten, und genoss die seichte aber humorvolle Unterhaltung mit seinem Onkel. Der Prozess schien den Richter im Augenblick nicht sehr zu beschäftigen und der Krieger rührte das Thema den ganzen Abend nicht mehr an.
***
Der Besuch bei Migakan war ohne Ergebnis verlaufen und doch war sie sehr zuversichtlich. Wenn ein Mann wie Migakan ohne Weiteres Aufhebens seine laufenden Studien unterbrach und ohne Hilfe in der Kräuterküche arbeitete, musste es zwangsläufig bedeuten, dass nicht nur sein Interesse geweckt war, sondern dass er auf etwas wirklich Außergewöhnliches gestoßen sein musste. Migakan hatte ihr in seiner unnachahmlich verschrobenen Art lediglich mitgeteilt, was er vermutete. ‚Ein Giftpilz, der müde macht.’
Lavielle half das nicht besonders viel weiter, allerdings würde kein anständiger Heiler oder Kräuterhändler in ganz Brakenburg mit Giftpilzen hantieren oder diese sogar verkaufen. Der Handel mit diesen Pilzen war strengstens verboten.
Auch wenn sie in Sachen Kräutergesetze nie sehr große Begeisterung entwickelt hatte, erinnerte sie sich doch an eine Glaubensgemeinschaft in Brakenburg, der es zur Ausübung ihrer Riten erlaubt war, einen bestimmten Giftpilz zu verwenden. Das bedeutete, von wem auch immer der Bärenfelsener dieses Pulver hatte, dieser Mensch war entweder Mitglied dieser Sekte oder ein illegaler Kräuterhändler. Dieser Gedanke brachte sie wieder in die Gegenwart zurück.
Sie lief über den Markt und bewegte sich gerade mitten unter den Kräuterfrauen des Platzes. Der Gefängnisturm war nicht mehr weit und doch wollte sie sich beeilen. Sie beschleunigte ihren Schritt.
Der Wächter am Eingang des Turms schenkte ihr gleich seine ganze Aufmerksamkeit, aber auf die Weise, die Lavielle jetzt überhaupt nicht brauchen konnte.
Mit den Worten »Ich bin die gerichtliche Verteidigerin« versuchte sie sich genervt an ihm vorbei zudrängen, doch er war hartnäckig.
Erst als sie sehr eindringlich auf ihr Amt und die möglichen Folgen seines Verhaltens hingewiesen hatte, begriff der grobschlächtige Soldat und wurde dienstlich. Wenige Momente später stand sie vor ihrem riesigen Schützling oder zumindest vermutete sie das.
Der Kerkerraum war äußerst schlecht beleuchtet, doch kein Mensch, den sie kannte, hatte eine solche Statur. Ein kleines Fenster direkt unter dem Dach tauchte seinen mächtigen Kopf in ein schwaches Licht. Der Rest seines Körpers war nur zu erahnen. Sie hörte mehr als das sie sah, dass seine Hände mit schweren Ketten an zwei riesige Steinklötze gekettet waren.
Sie wusste nicht recht, was das zu bedeuten hatte. Die Novizin hatte noch nie von solchen Steinklötzen gehört. Als sich ihre Augen etwas an die schlechte Beleuchtung gewöhnt hatten, sah sie hinter dem Hünen zwei größere Löcher in der Wand. Der Riese musste also seine ersten Ketten aus der Wand gerissen haben. Die Vorstellung über solche Körperkraft verschlug ihr beinahe den Atem. Zögerlich sprach sie den Gefangenen schließlich an.
»Verzeiht meinen späten Besuch, werter Berisi, aber ich wollte nicht unvorbereitet zu Euch kommen und außerdem geriet mir noch etwas dazwischen. Ihr müsst mir unbedingt erzählen, wie es sich zugetragen hat. Ich gehe davon aus, dass Ihr unschuldig seid.«
Es verstrich ein Moment der Stille. Lavielle lächelte etwas unsicher. »Und ...?«
Die Stille kehrte sofort zurück und klammerte sich um ihre Ohren. Sie wurde unerträglich für die junge Heilerin. Ungerührt schaute Garock sie an, wie eine überfütterte Katze eine Maus. Lavielle war es nicht gewohnt, ein so schweigsames
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