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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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spielte, zog er seinen Rechenschieber heraus und befaßte sich mit Drift und Gegenwinkel. Natürlich hat das nicht den geringsten Einfluß auf sein Spiel gehabt. Beim ersten Abschlag war er ganze zwei Minuten mit dem Rechenschieber beschäftigt. Resultat: er schlug sich beim Drive beinahe den Schläger um die Ohren.«
    Als ob er diesen Anfall von Vertraulichkeit ausgleichen wollte, bewahrte Mr. Fitch für den Rest der Besichtigung ein niedergedrücktes Schweigen. Aber zum zweitenmal ging ich schon mit etwas weniger Unbehagen die Stiege zu Mr. Pelchers Büro hinauf.
    Als ich am Abend in London zurück war, gab ich Claire ein Résumé über die Eindrücke des Tages. »Ich glaub«, sagte ich, »sie werden mir den Posten anbieten. Ich werde ihn natürlich nicht annehmen. Das Gehalt, an das sie denken, ist lächerlich. Die Lira mag für uns günstig stehen, aber das ändert nichts an dem Wert, den das Geschäft für sie in Pfund Sterling hat. Und dann Italien! Die ganze Angelegenheit kommt gar nicht in Frage.«
    »Natürlich nicht, Liebling«, sagte Claire.
    Wir sprachen nicht weiter darüber.
    Am nächsten Morgen kamen zwei Briefe für mich. Einer von Mr. Pelcher, der mir formell den Posten eines Leiters der Spartacus-Niederlassung in Mailand anbot. Der andere von Hallett. Seine neue Arbeit fing erst in vierzehn Tagen an, und er nahm an, daß ich inzwischen schon irgendwo untergekommen sei. Ob ich ihm vielleicht fünf Pfund leihen könnte?
    Ich machte einen kurzen Spaziergang, rauchte ein paar Zigaretten und setzte mich dann hin, um beide Briefe zu beantworten.

    Drei Wochen später nahm ich die Fähre von Folkestone.
    Zu meiner größten Erleichterung war niemand zum Abschied auf dem Bahnhof. Ich hatte Claire am Abend vorher Lebewohl gesagt. Im Tone nüchterner Überlegenheit hatte sie mir erklärt, sie sei zu sehr im Büro beschäftigt, um an die Bahn zu kommen. Später weinte sie ein wenig und erklärte unnötigerweise, daß es eigentlich nicht so sehr wegen Zeitmangels sei, sondern weil sie sich nicht auf dem Perron lächerlich machen wollte. »Schließlich«, sagten wir uns immer wieder, »ist es ja nur für ein paar Monate, eine vorübergehende Stellung, bis die Verhältnisse hier besser werden.« Als es dann schließlich an der Zeit war, zu meinem Hotel zurückzukehren, hatten wir uns in eine Atmosphäre fröhlicher Kameradschaft hinübergerettet, wodurch wir unsere Gefühle und unsere Taschentücher schonten.
    »Adieu Nicky, Liebster«, hatte sie hinter mir her gerufen, »und paß auf dich auf!«
    Ich hatte bei dem Gedanken gelacht und zurückgerufen, daß mir bestimmt nichts geschehen würde.
    Ich hatte tatsächlich gelacht.

3. Kapitel
    Der geschminkte General
    A
    n meinem zweiten Abend in Mailand betrat General Vagas die Szene. Diesen Abend um acht setzte ich mich in meinem Zimmer im Hotel Parigi nieder, um an Claire zu schreiben. Sie hat den Brief aufbewahrt, und da er in mehr oder weniger gedrängter Form beschreibt, was ich seit meiner Ankunft erlebt hatte, und den Eindruck wiedergibt, den die Mailänder Angestellten der Spartacus Machine Tool Company auf mich machten, lasse ich ihn hier folgen. Meine Absicht war eigentlich, die intimeren Stellen auszulassen, aber da Claires einziger Kommentar zu diesem Vorschlag ein »Warum« war, habe ich sie stehenlassen.

    Hotel Parigi, Mailand, Dienstag

    Liebste Claire!
    Schon hat mich das gräßlichste Heimweh erfaßt. Es ist zwar erst vier Tage her, daß ich Dich gesehen habe, aber es scheinen mir vier Monate zu sein. Das klingt ziemlich banal, ich weiß, aber die schlichten gewöhnlichen menschlichen Gefühle klingen fast immer abgedroschen, wenn man sie zu Papier bringt. Ich weiß nicht, ob die Banalität sich im Verhältnis zur Anzahl und Intensität der schlichten gewöhnlichen menschlichen Gefühle erhöht; vermutlich tut sie es. Meine aktuellen s. g. m. G. sind a) ein Abgrund von Einsamkeit, und b) die wachsende Überzeugung, daß ich ein Idiot war, Dich zu verlassen, was immer die Umstände gewesen sind. Sicher werde ich mich bezüglich Punkt a) in einigen Tagen besser fühlen. Was Punkt b) anbelangt, so bin ich nicht ganz sicher, ob eine Überzeugung, selbst eine wachsende, als Gefühl bezeichnet werden kann.

    Ich entsinne mich, daß ich an diesem Punkt innehielt, um den Abschnitt noch einmal durchzulesen. Was für ein Unsinn! Der gespenstische Versuch, durch eingebildete Tränen hindurch zu lächeln. Claire würde das verabscheuen. Das Lächeln kokettierte

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