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Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer

Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer

Titel: Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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schmerzenden Rücken, sondern er sah für Ann Kathrin aus wie ein Mann, der kurz davor war, seinem Leben ein Ende zu setzen.
    Er blickte auf die Menschen mit tiefer Verachtung und selbst die Knackwürstchen, die sein gutgelaunter Redakteur ausgab, sah er an, als würde er sie hassen. Er biss in das Würstchen, als würde er damit ein hässliches, gefährliches Geschöpf erledigen und verschlingen, um nicht selbst von ihm gebissen oder gefressen zu werden.
    Mit dem Blick auf die Welt wird er kaum schöne Fernsehbilder liefern können, dachte Ann Kathrin.
    Das Team wollte zu Joachim Warfsmann, und Ann Kathrin fragte sich, woher die Fernsehleute die Information hatten. Sie outete sich jedoch nicht als Kommissarin. Sie hielt sich an einem Pott Kaffee fest und sah aus dem Bullauge aufs Wasser. Die Nordsee war noch recht aufgebracht. Für Ann Kathrin sah der Mond auf die Fähre herunter wie das Auge eines zornigen Zyklopen, der vorhatte, die Frisia samt Mannschaft und Passagieren zu zerquetschen.
    Sie fröstelte. Ihre gruseligen Gedanken machten ihr Sorge. Sie hatte noch kein Zimmer auf der Insel und kam heute garantiert nicht wieder zurück. In den Sommermonaten war es manchmal schier unmöglich, noch ein freies Zimmer zu bekommen, aber jetzt rechnete sie nicht mit großen Problemen. Dabei gefiel ihr der Gedanke ganz und gar nicht, die Nacht ohne Weller zu verbringen. Gern hätte sie sich im Bett ein bisschen an ihn gekuschelt und sich von ihm wärmen lassen. Im Gegensatz zu ihr hatte er nie kalte Füße.
    Sie zog den gefütterten Regenmantel fester um sich. War es nur das Wetter oder dieser Fall? Ihr Wunsch nach Wärme wuchs. Die Nähe des Kameramanns verschlimmerte die Situation für sie noch. Sie sah sich noch einmal nach ihm um. War er wirklich so mies drauf, oder sah sie ihn nur durch eine dunkle Brille, so wie den Mond?
    Sie ging in einen anderen Bereich des Schiffes, bei den Treppen, um allein zu sein. Einen Moment spielte sie sogar mit dem Gedanken, sich oben an Deck dem Wind auszusetzen. Aber dafür war ihr Bedürfnis nach Wärme zu groß. Oder war es ein fast kindliches Verlangen nach Schutz?
    Der Gedanke trieb ihr die Tränen in die Augen. Für einen kurzen Moment sehnte sie sich danach, ihren Vater zurückzuhaben. Dann kam die Wut auf seinen Mörder, und sie wünschte ihm die Pest an den Leib. Sie hatte immer wieder daran gedacht, ihm einen Brief zu schreiben, einen Brief, der ihn im Gefängnis treffen sollte wie eine Kugel. Einen Brief, der all ihrer Wut Ausdruck verlieh.
    Sie hatte diesen Brief aber nie verfasst. Es gab ein paar stümperhafte Anfänge, mehr nicht. Missglückte Versuche, das Unfassbare in Worte zu fassen.
    Aber jetzt konnte sie sich vorstellen – heute Nacht in einem einsamen Hotelzimmer – im Bett mit dem Hotelpapier auf den Knien und einem Kissen im Rücken, diesen Brief zu schreiben.
    Ja, vielleicht war sie jetzt endlich so weit, und vielleicht würde dieser Brief sie von dem Traum befreien, der sie immer wieder quälte und der so schlimm war, dass sie nicht einmal Weller davon erzählt hatte: Im Traum erschoss sie den Mörder ihres Vaters.
    Es war dunkel, und die Straße lag einsam vor ihr. Sie kannte sie genau. Es war im Neuen Weg, direkt vor der Sparkasse. Er wurde von zwei Kugeln getroffen und schleppte sich in Richtung Norder Tor. Nur wenige Schaufenster waren spärlich beleuchtet. Bei SKN blinkte etwas rot, wie das Licht eines Spielzeugleuchtturms oder eines Rauchmelders. Und dann, kurz bevor sie schweißnass aufwachte, rief sie laut: »Verreck, du Schwein!« Er drehte sich um. Er reckte die Arme in die Luft und starrte sie schreckensbleich mit weitaufgerissenen Augen an, wie ein Mensch, der seinem Tod ins Gesicht schaut. Sie schoss ihm in die Brust. Er konnte es genauso wenig glauben wie sie selbst. Doch sie tat es im Traum mit dem Gefühl, etwas genau richtig zu machen und endlich zu Ende zu bringen.

    Rupert wunderte sich auf seiner Mailbox über Beates Stimme. Sie beschimpfte ihn nicht, sie sprach geradezu mit jungmädchenhaftem Charme. Sie säuselte kleinlaut, sie sagte, es täte ihr alles leid und sie habe überreagiert und ob sie es nicht noch einmal miteinander versuchen wollten.
    Er wurde misstrauisch und hörte sich alles gleich noch einmal an. Sollte er reingelegt werden?
    Doch dann, als er sich entschied, noch ein Bierchen zu zischen und eine Currywurst zu essen, sah er beim Schlendern durch die Auricher Innenstadt im Schaufenster einer Lottoannahmestelle das

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