Ann Pearlman
fertiglesen.«
Er stand auf und ging zum Becken. Die Muskeln in seinem Hintern spannten und entspannten sich beim Gehen, deutlich sichtbar in der blauen Badehose. Es waren elastische Springer-Badehosen, man sah die Wölbung beider Pobacken. Wie peinlich.
Jetzt, da die Decke seine Beine und Hüften bedeckt und seine Brust nackt ist, fallen mir die Haare auf seiner Brust und seinen Armen wieder auf.
In seinem Handgelenk steckt eine IV-Nadel.
Manchmal macht er Witze über die kahle Stelle oben auf seinem Kopf, die sich ausbreitet und das Problem mit seinem Wirbel bald aus der Welt geschafft haben wird.
»Männer mit Körperbehaarung haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, kahl zu werden«, meinte er einmal.
»Ach wirklich?« Wir standen im Bad und teilten uns den Spiegel. Er gab Gel auf die wenigen Strähnen, die von dem Wirbel noch übrig sind, während ich mir die Beine eincremte.
»Jep. Hab ich mal irgendwo gelesen.«
»Es stört mich nicht, wenn du kahl wirst.« Ich mag es, wie sich seine Haare unter meinen Handflächen und meinen Fingerspitzen anfühlen, aber es macht mir nichts, wenn er kahl ist. Ganz glatt fühlt sein Kopf sich bestimmt auch gut an.
Aber es macht mir etwas aus, und zwar sehr viel, wenn ich sehe, wie Eiter aus seiner Schulter läuft und seine Brusthaare verklebt.
Als könnte sie meine Gedanken lesen, streicht Dr. Shapiro mit einem Tupfer durch den Eiter, steckt ihn dann in ein Röhrchen und wischt den Rest mit alkoholgetränkter Gaze ab.
»Wir machen eine Biopsie und ein schnelles Blutbild. Inzwischen schauen wir mal, ob die Infusion Ihr Fieber senkt und die Schwellung zurückgehen lässt.«
Als sie geht, lässt sie den Vorhang ein Stück offen, und ich ziehe ihn hinter ihr zu.
Troy schließt die Augen und schüttelt den Kopf. »Was für ein verschwendeter Abend. Ich wollte an dem Prozess nächste Woche arbeiten und einfach ein bisschen Zeit mit dir und Rachel verbringen.«
»Jetzt verbringst du auch Zeit mit uns.«
»Ich bin hier, Daddy«, bestätigt Rachel, die sich auf den Stuhl vor dem Arztschreibtisch gesetzt hat, ein Kleenex aus der Schachtel holt und so tut, als würde sie sich die Nase putzen. Dann holt sie sich einen Latexhandschuh und versucht ihn sich über die Hand zu ziehen, aber dieses Vorhaben erweist sich als zu kompliziert und verwirrend. Ich rolle den Handschuh auf und helfe ihr. Gespenstisch hängt das Plastik von ihren Fingern. Sie wedelt damit herum. »Schau mal, Daddy, ich hab ganz lange Fingernägel.«
Dass er keinen witzigen Kommentar dazu abgibt, zeigt mir wieder, wie krank er ist.
»Wir könnten so viel anderes tun. Selbst wenn wir nur Reste essen und uns Wiederholungen im Fernsehen anschauen«, sagt er und sieht Rachel und mich an.
Ich drücke seine Hand.
»Warum geht ihr nicht lieber nach Hause? Ich bin womöglich noch stundenlang hier. Und ich kann dann ja ein Taxi nehmen.«
»Möchtest du, dass wir gehen?«
»Ihr müsst doch nicht wer weiß wie lange in der Notaufnahme rumhängen.«
»Ich möchte bei dir sein.«
»Wie willst du morgen arbeiten, wenn du die halbe Nacht hier rumsitzt?«
Ach richtig. Morgen ist Dienstag. Dienstags geht Rachel um acht zur Tagesbetreuung, und um halb neun fange ich an zu arbeiten.
»Mach dir deswegen keine Sorgen.« Mehr sage ich nicht. »Konzentrier dich darauf, wieder gesund zu werden.« In einer Woche, in ein paar Tagen wird das hier vorbei sein. Zehn Tage Antibiotika, dann wird unser Leben weitergehen, als hätte es diesen Abend nie gegeben.
Nur dass ich keinen Job mehr habe und dass Mia tot ist, denke ich unwillkürlich.
Troy schließt die Augen. Sein Atem geht flach. Vielleicht ist er eingeschlafen. Rachels Gespensterfinger malen einen Schneemann violett an, irgendwo hört man einen Mann stöhnen, mein Herz beginnt zu pochen und dröhnt im Hals und in den Ohren.
Eine Stunde später kommt der Pfleger zurück, misst Troys Temperatur und seinen Blutdruck. Anscheinend hat Troy tatsächlich ein bisschen geschlafen, aber jetzt klagt er sofort wieder, dass ihm kalt ist.
»Ich bringe Ihnen gleich noch eine Decke«, sagt der Pfleger, während er die Werte auf seiner Karte notiert.
»Wie geht es ihm?«
»Die Temperatur ist ein bisschen höher.«
»Höher als vor ein paar Stunden?«
»Höher als beim letzten Mal.« Damit dreht der Pfleger sich um, verlässt das Kabuff und kommt ein paar Minuten später mit einer weiteren Decke zurück. »Das müsste Sie wärmen.« Er starrt an die Decke, während er die Decke
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