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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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anzunehmen. Ich soll vor
    sie hintreten in der Rolle des Verzeihenden, der sie seiner Liebe würdigt! Warum hat Darja Alexandrowna das
    überhaupt zu mir gesagt? Ich hätte sie ja zufällig sehen können, und dann hätte sich alles von selbst gemacht; aber
    jetzt ist es unmöglich, ganz unmöglich!‹
    Darja Alexandrowna schickte ihm ein paar Zeilen, in denen sie ihn um einen Damensattel für Kitty bat. »Es ist
    mir gesagt worden, Sie hätten einen solchen Sattel«, schrieb sie ihm. »Ich hoffe, Sie werden ihn persönlich
    herbringen.«
    Das war ihm zuviel, das konnte er nicht mehr ertragen! Wie konnte nur eine kluge, zartfühlende Frau ihre
    Schwester in solcher Weise erniedrigen! Er schrieb zehn Antworten, zerriß sie sämtlich und schickte ihr den Sattel
    ohne jedes Begleitschreiben hin. Zu schreiben, er werde hinkommen, das ging nicht, weil er ja doch nicht hinkommen
    konnte; und zu schreiben, er könne nicht kommen, da er irgendwelche Behinderung habe oder verreise, das war noch
    schlimmer. So übersandte er denn den Sattel ohne Zuschrift, und in dem Bewußtsein, etwas getan zu haben, dessen er
    sich schämen müsse, übergab er gleich am nächsten Tage die ganze ihm so widerwärtig gewordene Wirtschaft dem
    Verwalter und fuhr nach einem ziemlich weit entfernten Kreise zu seinem Freunde Swijaschski, bei dessen Wohnorte es
    prächtige, an Schnepfen reiche Sümpfe gab und der ihn erst kürzlich in einem Briefe gebeten hatte, ein schon längst
    gegebenes Versprechen auszuführen und ihn zu besuchen. Diese Schnepfensümpfe im Kreise Surow hatten für Ljewin
    schon lange etwas Verführerisches gehabt; aber wegen seiner Wirtschaftsangelegenheiten hatte er diese Fahrt immer
    aufgeschoben. Jetzt war er froh, auf diese Art aus Kittys Nähe und besonders von seiner Wirtschaft wegzukommen,
    namentlich auch, da es zur Jagd ging, die ihm in allen Kümmernissen von jeher der beste Trost gewesen war.

25
    Nach dem Kreise Surow gab es weder eine Eisenbahn noch eine Poststraße, und Ljewin fuhr daher in seinem
    Reisewagen mit eigenen Pferden.
    Auf halbem Wege machte er bei einem reichen Bauern halt, um die Pferde zu füttern. Der kahlköpfige, frische
    Alte, mit breitem, rötlichem, an den Backen ergrauendem Barte, öffnete das Tor und drückte sich an den Pfosten, um
    das Dreigespann hereinzulassen. Er wies auf dem großen, neu angelegten, sauberen und sorgfältig aufgeräumten Hofe,
    auf dem eine Anzahl angekohlter Hakenpflüge standen, dem Kutscher einen Platz unter einem Schutzdache an und lud
    dann Ljewin ein, in die gute Stube zu kommen. Eine reinlich gekleidete junge Frau mit Gummischuhen an den bloßen
    Füßen scheuerte gebückt den Fußboden in dem neuen Hausflur. Sie bekam einen Schreck über den Hund, der hinter
    Ljewin hereingelaufen kam, und schrie auf, lachte aber sofort über ihren Schreck, da sie sah, daß der Hund sie
    nicht anrührte. Sie zeigte dem Gaste mit dem ausgestreckten Arme, an dem der Ärmel aufgestreift war, die Tür zur
    guten Stube; dann bückte sie sich wieder, so daß ihr hübsches Gesicht nicht mehr zu sehen war, und scheuerte
    weiter.
    »Befehlen Sie den Samowar?« fragte sie.
    »Ja, bitte.«
    Die gute Stube war geräumig; darin befand sich ein holländischer Ofen und eine Scheidewand. Unter den
    Heiligenbildern standen ein mit einem bunten Muster bemalter Tisch, eine Bank und zwei Stühle, neben der
    Eingangstür ein Schränkchen mit Geschirr. Die Fensterläden waren geschlossen; Fliegen gab es in der Stube nur
    wenige, und alles war so sauber, daß Ljewin darauf bedacht war, daß seine Laska, die unterwegs gelaufen war und
    sich in den Pfützen gebadet hatte, nicht den Fußboden beschmutzte, und ihr einen Platz in der Ecke an der Tür
    anwies. Nachdem Ljewin die Stube besehen hatte, ging er hinaus auf den hinteren Hof. Die hübsche junge Frau mit den
    Gummischuhen hatte jetzt an einer Trage zwei hin und her schaukelnde leere Eimer hängen und lief vor ihm her nach
    dem Brunnen, um Wasser zu holen.
    »Immer flink!« rief ihr der Alte lustig zu und trat zu Ljewin. »Also zu Nikolai Iwanowitsch Swijaschski fahren
    Sie, gnädiger Herr? Auch Herr Swijaschski kehrt manchmal bei uns ein«, begann er redselig; er stützte sich mit dem
    Ellbogen auf das Treppengeländer vor der Hoftür. Mitten in der Erzählung des Alten von seiner Bekanntschaft mit
    Swijaschski kreischte wieder das Tor, und die Arbeiter kamen vom Felde mit Pflügen und Eggen auf den Hof gefahren.
    Die vor die Pflüge und Eggen

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