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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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schob die offene Handfläche ein Stück näher. „Sofort!“
    Die Herrscherin rührte sich nicht.
    „Dieser Stein gehört mir und das Amulett Alphira. Also her damit!“
    Sie blickte immer noch an Anna vorbei. Ein dünnes Rinnsal hellroten Blutes lief von der Schläfe über die blasse Wange. Sie wischte es rasch mit der bloßen Hand ab, aber es lief wieder nach und drohte vom Kinn auf ihr glitzerndes Kleid herunter zu tropfen.
    „Ich hebe dich gleich hoch, dreh dich mit dem Kopf nach unten und schüttele dich so lange, bis die beiden Teile herausfallen!“ Anna musterte sie durchdringend. Ihre Stimme ließ keine Zweifel daran, dass sie das Versprochene auch tun würde. „Mal sehen, wie dieses kleine Spektakel deinen Untertanen gefallen wird.“ Sie schritt entschieden auf den Thron zu.
    Die Herrscherin verzog ihr Gesicht, langte in die Tasche und legte den Stein Anna in Hand.
    Sie schloss die Finger fest zu und atmete erleichtert auf. „Das Amulett“, verlangte sie sogleich und sah forsch in die schwarzen, zu Schlitzen verengten Augen der kleinen Frau, die wieder an ihr vorbei auf den Platz blickte, dorthin, wo die Fässer ihre letzten Tropfen auf das Steinpflaster fallen ließen.
    Anna zog die Augenbrauen zusammen und streckte ihre freie Hand der Frau auf dem Thorn entgegen. „Gib es her!“, verlangte sie mit Betonung auf jedem Wort. „Du hast kein Recht darauf, es zu behalten, und erst gar nicht, es anzuhaben. Du hast nicht mal eine leiseste Ahnung, welche Bedeutung dieses Amulett hat! Für dich ist es höchstens ein schönes Schmuckstück mit einem ungewöhnlich großen, magischen Stein. Aber die wahre Kraft liegt in seinem Rahmen und dessen Bedeutung. Jede von den acht Seiten steht für etwas, was dir zutiefst fremd ist: Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Liebe. Jede davon hast du mit deiner grenzenlosen Gier, Grausamkeit und Egoismus mit Füßen getreten. Also dass du es wagst, dieses Stück zu tragen ist absolut widerwärtig. Gib es mir sofort zurück!“
    Die Herrscherin nahm das Amulett schweigend ab und legte es ihr in die Hand. Ein Hauch von Ekel überflog ihre verzogene Miene, die schmalen Lippen pressten sich zusammen zu einer dünnen Schnur, die Mundwinkel zogen sich nach unten.
    Die Untoten und Diener auf dem Platz wurden plötzlich unruhig. Eine schrille Stimme kam aus der Mitte. Sie hörte sich fast hysterisch an: „Guckt doch, guckt doch hin, sie blutet!! Sie ist ja nicht anders als wir!“ Die dunkle Masse bewegte sich langsam auf den Thron zu.
    Die Herrscherin wischte ihr Gesicht erneut mit dem Stück schwarzen Samtes ab, das sie aus ihrem Rock herausgerissen hatte, streckte ihren Rücken gerade und blickte gebieterisch auf ihre Untergebenen, die in geschlossenen Reihen langsam auf sie zuschritten.
    Manchen steckten die Splitter immer noch in den Gliedern. Das hinderte sie aber nicht in ihrer Bewegung: Nichts floss aus ihren Wunden.
    Anna schaute mit vor Aufregung aufgerissenen Augen hin. Das sind die Zombies der zweiten Generation! Bloße Kopien der Oberweltler aus Fleisch und Blut, die sie damals mit Unsterblichkeit gelockt hatte. Sie sehen genauso aus, bloß sind sie nichts weiter als leere Hüllen.
    Die Herrscherin erhob sich vom Sitz, streckte ihre rechte Hand, den Zeigefinger auf die dunkle Masse gerichtet und befahl: „Stoppt da, wo ihr seid! Sonst seid ihr sofort tot!“
    „Wir sind schon lange tot“, meldete sich die schrille Stimme. „Seit dem Moment, als wir uns dir verkauft hatten.“
    „Und wir haben noch nie gelebt“, sagten diejenigen, bei denen kein Blut aus den Wunden floss.
    „Keiner hat euch dazu gezwungen!“, rief sie. „Ihr alle habt mein Angebot aus freiem Willen angenommen. Ich habe meinen Teil der Abmachung gehalten! Ihr habt immer ein Dach über dem Kopf, eine Arbeit und einen Lohn gehabt. Und für meinen Teil habe ich mit Loyalität und Gehorsam gerechnet!“ Sie blickte von oben herab auf die murmelnde Masse der Untertanen. „Wenn das euch zu viel ist, dann werdet ihr diesen Platz nicht mehr verlassen! Wer hier Rebellen spielen will, soll vortreten! Dann gibt es eine Erlösung. Und zwar sofort! Ich bin gerade in der richtigen Stimmung.“
    Anna beobachtete das Geschehen mit angehaltenem Atem. Sie stand auf den Pflastersteinen unweit vor dem Thron. Etwa ein Dutzend Schritte hinter ihr trat auf der Stelle die erste Reihe der Untertanen, die keinen Deut mehr nach vorne wagten.
    Die junge Frau nahm auf einmal etwas wahr,

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