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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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mich zu begrüßen in sein Büro. Der alte Zausel wollte es wohl auf die Spitze treiben.
    Als ‚Camille’ mich hineingeleitete, fand ich Richter Rutherford hinter einem riesigen Eichenschreibtisch. Er hatte sein beiges Leinenjackett über seinen hohen flaschengrünen Ledersessel gehängt und die Hemdsärmel hochgekrempelt. Auf seinem Schreibtisch fanden sich Aktenstapel, eine Ansammlung verschiedener Pfeifen, Tabak, das Model eines Segelbootes und ein Glas, das mit Eiswürfeln, einer Limettenscheibe und einer klaren Flüssigkeit gefüllt war.
    „Richter Rutherford, Sir. Ich verlange, auf der Stelle …“
    „Guten Morgen, Mr. Meyers“, fiel er mir mit eisenharter Gelassenheit ins Wort. „Bitte nehmen Sie doch Platz.“
    Ich setzte mich.
    „Ich verlange, auf der Stelle zu erfahren …“
    „Mr. Meyers, um eines von Beginn an klarzustellen: Ich weiß nicht, wie es in Boston zugeht, und offen gestanden ist es mir auch herzlich gleichgültig. Aber hier sind wir in South Port, in meinem Gerichtsbezirk, in meinem Gericht. Und in meinem Gericht bin ich derjenige, der die Fragen stellt oder ein Verlangen äußert.“
    Er musterte mich über den Rand seiner goldenen halbmondglasigen Lesebrille, aber ich ließ mir meine Verärgerung nicht anmerken. Ich würde alles in meiner Macht Stehende tun, damit dieser Mensch aus dem öffentlichen Rechtssystem entfernt würde.
    „Ich habe Sie aus einem bestimmten Grund hierher gebeten.“
    Das wollte ich ihm auch geraten haben.
    Er sah in die aufgeschlagene Akte.
    „Ihnen ist bekannt, dass Ihr Vater, Andrew Meyers, in dieser Stadt gelebt hat und hier in zweiter Ehe verheiratet war mit Beatrice Meyers?“
    „Das ist mir sehr wohl bekannt. Wenn Sie die Akten zur Nachlassregelung eingesehen hätten, wüssten Sie …“
    „Mmh. Ist Ihnen ferner bekannt, dass aus besagter Ehe eine Tochter hervorgegangen ist: Annabell Lillian Margaret Meyers?“
    Was sollte dieser ganze Humbug? Wollte er einen Stammbaum erstellen?
    „Diese ‚Verhältnisse’, die Sie ansprechen“, – ich legte alle Verachtung, die ich aufbringen konnte, in das Wort ‚Verhältnisse‘ – „sind mir zur Genüge bekannt. Ich hoffe inständig, Sie haben mich nicht hierher gebeten, um mit mir über die Familiengeschichte zu plaudern?“
    „Diese Hoffnung muss ich leider enttäuschen.“
    Er nahm seine Lesebrille ab und begann, sie mit einem Taschentuch zu polieren.
    „Die Familiengeschichte spielt bei dem, worum es uns geht, eine wesentliche Rolle. Mmh …“
    Ich wartete auf die Erläuterung, aber Rutherford beschäftigte sich weiter mit seiner Brille.
    Nach gefühlten Stunden schien sie ihm wohl sauber genug zu sein. Er setzte sie auf und fuhr fort:
    „Seit dem Unfalltod ihrer Eltern lebte Miss Annabell im Hause ihrer Großmutter – also nicht Ihrer Großmutter, sondern ihrer Großmutter. Sie können mir folgen?“
    Ich nickte ungeduldig. Hielt er mich für einen Volldeppen?
    „Jedenfalls lebte sie im Hause ihrer Großmutter, Mrs. Eugeny Haze, die – und nun werden Sie verstehen, warum mir diese Angelegenheit besonders am Herzen liegt – meine Cousine war.“
    Was für eine gewaltige Enthüllung. Das machte uns ja schon fast zu Verwandten. Ich war überglücklich, dass ich den weiten Weg auf mich genommen hatte, damit er diesen familiären Zusammenhang endlich mit mir teilen konnte.
    „War?“, fragte ich desinteressiert.
    „Das ist leider richtig. Eugeny ist vergangenen Monat von uns gegangen. Sie fühlte sich eine Zeit lang nicht ganz wohl und dann: zack - Herzversagen.“
    Er unterstrich das ‚Zack‘ mit einer zuschnappenden Geste seiner Hände und nahm einen Schluck aus dem Glas.
    „Wirklich ein Jammer. Sie war fast bis zum Schluss so agil. Und das mit achtundsiebzig. Ging meilenweit spazieren. Fuhr mit dem Rad. Schwamm wie ein Fisch – da fällt mir ein, ich sollte noch mal mit Ernest, Richter Stanton, sprechen.“
    Er machte eine Notiz.
    „Patente Frau, meine Cousine.“
    Er leerte das Glas vollständig.
    „Wirklich ein Jammer.“
    „Der Tod Ihrer Cousine tut mir aufrichtig leid.“
    Offen gestanden war er mir schnuppe.
    „Aber, da wir nicht verwandt waren und ich nicht davon ausgehe, dass sie mir etwas hinterlassen hat …“
    „Ganz im Gegenteil. Ganz im Gegenteil. Sie hat Ihnen etwas hinterlassen: Das Wertvollste, das sie hatte, um es auf den Punkt zu bringen. Miss Annabell hat, wie Sie vielleicht wissen, erst vor zwei Monaten das siebzehnte Lebensjahr vollendet und wird mithin erst im

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