Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
zuvor. Ihr Mund öffnete sich. Ihre Zunge ertastete sich vorsichtig ihren Weg. Ich hieß sie willkommen. Annabell stieß mich sanft in eine liegende Position und legte sich langsam auf mich. Unsere Körper schmiegten sich aneinander. Ich schloss die Augen und spürte ihre Haut auf meiner Haut. Blitze von dem unsichtbaren Feuer, das uns verband, zuckten durch meine Nervenbahnen. Es war unbeschreiblich.
Fordernder und gieriger wurden unsere Küsse. Wie von einem natürlichen Impuls geleitet, begann Annabell, sich auf mir zu bewegen, ihre Hüften, ihr Becken kreisen zu lassen. Mein Puls raste. Das Blut schoss durch meine Adern. Meine Mitte, deren Spannung nunmehr kaum zu ertragen war, erwiderte die Bewegungen und wir wogen uns in einem langsamen, ungeheuer intensiven Tanz. Ich strich mit den Händen über ihren schmalen Rücken bis hinunter zum Po, fühlte die weiche, pralle Haut unter ihrem Bikinihöschen. Ich musste sie haben. Meine Schwester. Ich …
Nein!
Ich riss die Augen auf. „Es geht nicht. Wir dürfen das nicht tun.“
Ich hob Annabells zierlichen Oberkörper mühelos an und schob sie weg von mir, sodass sie auf dem Rücken zu liegen kam. Sie sah, dass es mir ernst war.
„Ethan, …Nein … bitte …“
„Es geht nicht Annabell. Ich muss gehen … Es tut mir leid.“
„Ethan, bitte bleib … Ethan, Du kannst nicht gehen. Nicht nach all dem, was wir uns gerade gesagt haben, was wir … Ethan, bitte …“
Sie sah unendlich verzweifelt aus. Es tat weh, aber das war nun gleichgültig.
„Es liegt in Deinem eigenen Interesse. Du würdest es bereuen. Ich bin nun einmal Dein Bruder. Ob wir wollen oder nicht. Es ist eine Tatsache. Und daran kommen wir nicht vorbei. Noch dazu bist Du minderjährig. Es geht einfach nicht, Annabell. Ich werde mit dem Richter sprechen und man wird einen neuen Vormund für Dich finden. Ich werde dafür sorgen, dass man sich um Dich kümmert. Lebe wohl.“
„Ethan, …“
Tränen rannen ungehemmt über ihr Gesicht.
Ich sprang auf, drehte mich um und lief, ohne noch einmal zurückzublicken, davon. Die beiden Möven, irritiert von meiner plötzlichen Flucht, kreischten auf und flogen in die entgegengesetzte Richtung.
„Ethan! … Ethan!“
Annabell rief wie von Sinnen hinter mir her, doch sie kam mir nicht nach.
Auch mir liefen die Tränen nun über die Wangen, rannen, zusammen mit Nasensekret, über mein Gesicht und tropften in den heißen Sand, wo sie ins Nichts verdunsteten. Ich wankte, konnte mich kaum gerade halten und doch nahm ich unbeugsam und gradlinig den Weg durch die Felsen hinauf zu unserem Plateau, durch die Pforte, die Böschung hinunter, über den Rasen den sanften Hang hinauf zum Haus. Dort zog ich mich um, nahm meine Sachen. Ich war wie betäubt, wie unter Schock. Robotergleich setzte ich mich hinter das Steuer und ließ den Motor an.
Es gab falsche und richtige Entscheidungen. Ich hatte viele Entscheidungen von zweifelhafter Qualität getroffen. Dies hier war eine richtige Entscheidung, auch wenn es mich zerriss.
Wenn ich dagegen meinem irrsinnigen Verlangen nachgab, war ich ruiniert. Ich würde strafrechtlich verfolgt werden, meine Zulassung als Anwalt verlieren, meine Karriere bei Westbury Hawthorne & Clarke. Alles, was ich mir so mühsam aufgebaut hatte, wofür ich so viele Jahre unzählige Stunden gearbeitet hatte, wäre zerstört. Zerstört wegen eines Augenblicks der Schwäche.
Ganz zu schweigen von Annabell. Dieses Mädchen wusste überhaupt nicht, worauf es sich einließ. Auch ihr drohte ein Strafverfahren. Ganz davon abgesehen würde unsere Beziehung auf Dauer nicht funktionieren. Ich war ein erwachsener Mann, der schon jegliches Spiel der Liebe gespielt hatte, sie ein Schulmädchen, das von der Liebe nichts wusste.
Was sah sie in mir? Sie war allein, hatte ihre Eltern und ihre Großmutter verloren. Sie war prädestiniert dafür, sich in jemanden zu verlieben, der ihr in ähnlicher Weise Halt geben konnte. Die Vorstellungen, die sie sich von mir machte, stimmten mit der Wirklichkeit vermutlich noch nicht einmal überein. Sicherlich suchte sie nach ihrem Traumprinzen, der sie mit auf sein Schloss nehmen würde, und ich bot ihr eine ausreichende Projektionsfläche, um ein solches Wunschbild auf mich zu übertragen. War die Liebe denn mehr als eine solche Projektion? Schönheit liegt doch im Auge des Betrachters und durch die rosarote Brille sieht dieser Betrachter nicht selten etwas, was in der Realität keine Grundlage hat. Für mich
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