Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
siebzehneinhalb Jahre alt, die andere hatte ihr Haar für mich in Annabells Ton gefärbt – daher die 300 Dollar extra – und würde im kommenden Monat siebzehn Jahre alt werden. Angesichts ihrer äußeren Erscheinung zweifelte ich nicht an den Altersangaben, wenn sich auch aus dem Geburtsdatum in ihren Ausweisen, die für einen Laien wie mich vollkommen echt wirkten, für den Fall einer polizeilichen Intervention ein Alter von achtzehn Jahren ergab. Ich hatte dem törichten Verlangen widerstanden, mich nach jungfräulicher Ware zu erkundigen. Ersten hätte das den Preis unnötig in die Höhe getrieben, zweitens wäre ich ohnehin nur betrogen worden und drittens zweifelte ich letztendlich nicht daran, dass mir Profis bei meiner kleinen Inszenierung am besten dienlich wären.
Die beiden waren für sich betrachtet jeden Cent wert. Sie ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, als ich mich nicht in der Lage fand, ihre Dienste auch tatsächlich zu konsumieren. Ich dagegen war überrascht, fast schockiert. So etwas war noch niemals vorgekommen. Für gewöhnlich brauchte es nicht viel, um meine Bereitschaft zu wecken. Meine Bestürzung wiederum trug lediglich dazu bei, die Lage weiter zu entspannen. Doch die beiden gaben nicht auf. Sie zeigten sich motiviert, und es gelang ihnen schließlich, wenn auch erst nach einer Weile, meine Gedanken zunächst durch Beobachtung, dann durch Teilnahme auf sich zu lenken.
Nachdem ich drei Stunden mit den Mädchen verbracht und sie sich mit schlüpfrigen Bemerkungen und einem Abschiedskuss verabschiedet hatten, spülte ich den schalen Nachgeschmack ihrer kalten Küsse und geschändeten Körper mit einem doppelten Whiskey hinunter.
Die Ablenkung durch die beiden währte nur so lange, wie mein Verlangen noch nicht erloschen war. Unterschwellig hatte ich es vorher schon geahnt. Beide, besonders die kleine Rothaarige, waren unter ästhetischen Gesichtspunkten ein Genuss. Sie taugten nur nicht für den Zweck, zu dem ich sie hatte einsetzen wollen. Es hatte schon bei Sandy nicht funktioniert, doch dort hatte ich es noch auf die Umstände geschoben: ihren sozialen Hintergrund, dieses Loch von einer Wohnung, das Katzenvieh. Wahre Dummheit zeigt sich wohl darin, dass man denselben Fehler unzählige Male macht, ohne daraus zu lernen.
Meine Stimmung sank umso mehr, als ich mir ausmalte, was Annabell von mir gehalten haben mochte, hätte sie von diesem Abend erfahren. Wie sehr sie diese Art, andere Menschen zu benutzen, abgestoßen hätte. Auf der anderen Seite musste man sagen, dass ich meine beiden Kleinen fürstlich für ihre Dienste entlohnt hatte. Ich selbst musste schließlich auch meine Haut zu Markte tragen, wenn auch auf andere Weise. Sie hatten ihren Preis aushandeln können. Ich hatte ihn bezahlt. Anders lag die Sache allenfalls, wenn die Agentur die beiden zu ihrer Arbeit zwang und ich mich an der Ausbeutung beteiligte.
Sandy dagegen war nicht so entlohnt worden, wie sie es sich möglicherweise vorgestellt hatte. Denn war es ihr nicht auch um einen Austausch von Leistung und Gegenleistung gegangen: Hingabe gegen eigene Lustbefriedigung und … ja: Liebe? War die Liebe nicht auch nur eine Ware in der großen Welt des Leistungsaustauschs?
So oder so: Meine Verabredung mit den beiden hätte Annabell mit Sicherheit abgestoßen.
Geplagt von derlei Überlegungen machte ich es mir für die Nacht auf dem Sofa bequem. In den Bettlaken hing noch das Parfum der beiden und es widerte mich an, darin zu schlafen, bevor sie am Morgen gewechselt werden würden.
Es gefiel mir an diesem Abend, mich selbst zu foltern. Ich stellte die Arien „J'ai perdu mon Eurydice“ aus Orpheus und Eurydike in einer Aufnahme mit Maria Callas, die Ouvertüre aus „La Traviata“ und „Ombra mai fu“ aus Händels Xerxes, gesungen von Kathleen Battle, alternierend in einer Endlosschleife ein und beklagte innerlich mein Unglück, bis ich irgendwann in einen unruhigen Schlaf fiel.
Was ich in diesen drei Tagen nicht tat, war, bei Richter Rutherford anzurufen und eine Neuregelung der Vormundschaft in die Wege zu leiten. Ein Wort von mir hätte genügt, und die Kanzlei hätte alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um ihm das Leben schwer zu machen. Doch ich sprach es nicht. Ich zögerte. Vielleicht, weil es die endgültige Trennung von Annabell bedeutet hätte. Und die brachte ich noch nicht übers Herz.
Stattdessen ließ ich mich von Margery mit dem Reverend verbinden. Er hatte am Montagnachmittag
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