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Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Titel: Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Stimme zu vernehmen! Die Stimme von Jess!
    Die Kette wurde geschwind wieder ausgehakt, und Jess stand im Flur. »Du bist mir ja eine Feine! Wo bleibst du denn?«
    »Ich konnte nicht kommen. Mußte bei den Kindern bleiben.«
    Anne hörte sich selber diese Worte sagen, sie klangen sicher ganz vernünftig - unbegreiflich, daß der Mund so vernünftige Worte aussprechen konnte, wenn das Herz in der Brust einen Purzelbaum schlug.
    »Bei den Kindern bleiben? Hast du auch Kinder?«
    »Ja«, lachte Anne, »zwei Stück.«
    »Bist du allein zu Haus - abgesehen von den Kindern, auf die du aufpassen mußt?«
    »Ja.«
    »Liegt es im Bereich deiner Möglichkeiten, mich hereinzubitten?«
    »Natürlich - bitte sehr - gewiß doch. Ich - ich war nur so erstaunt. Woher weißt du denn überhaupt, daß ich hier wohne?«
    »Ich wußte es gar nicht. Erst wurde ich stinkwütend, weil du mich sitzengelassen hast. Aber dann überlegte ich’s mir und dachte: Wenn Anne wegbleibt, dann hat sie einen Grund. Und dann fragte ich Studienrat Bru - ja natürlich war der auch da, du kannst dir doch denken, daß der sich nicht einen Vortrag über neunorwegische Lyrik entgehen läßt - den fragte ich also nach deiner Adresse. Und er wußte, daß du bei Leuten mit Namen Aspedal wohnst. Zu meinem Glück gibt es die nur einmal im Telefonbuch. Da wollte ich erst anläuten, änderte dann aber meinen Entschluß und dachte, ich könnte dich lieber gleich holen. Und hier bin ich.«
    Während Jess redete, war er wie selbstverständlich ins Zimmer hereingekommen. Er schaute sich interessiert um.
    »Gemütlich bei euch. Bist du mit den Aspedals verwandt?«
    »Nein, ich bin hier Hausgehilfin.«
    »Haus.? Da hört sich ja wohl. Will das heißen, daß du im Haus und für die Schule arbeitest?«
    »Ja. Aber es ist keine Ganztagsstellung, weißt du? Ich mache hier nur die gröbste Arbeit. Und dann muß ich die Kinder hüten, wenn Aspedals ausgehen.«
    Jess sah sie mit großen Augen an. »Das ist ja allerhand. Was bist du bloß für’n Mädel, Anne! Du lebst ganz allein in der Stadt? Allein bei Fremden, meine ich?«
    Anne lachte. »Na ja, wenn du es so dramatisch ausdrücken willst!« Sie freute sich über ihre eigene Wortgewandtheit. »Und bist noch nie früher in einer Stadt gewesen? Nie in irgendeiner Stadt?«
    »Nein, nie. Aber jetzt fange ich an, mich in der Stadt zu Hause zu fühlen.«
    »Wo bist du denn groß geworden? Erzähl doch mal! Ich weiß ja gar nichts über dich.«
    Anne erzählte. Vom Möwenfjord, vom Schwarzbuckel, vom Steinschlag, der ihren Heimathof von der Umwelt abgeschnitten hatte. Jess fragte und forschte, und Anne gab Antwort. Jess machte immer größere und größere Augen. »Man könnte ja beinahe einen Roman über dich schreiben«, rief er zuletzt aus.
    Da mußte Anne lachen. Es war ein ganz ungewohntes kleines Lachen, ein leises, trillerndes, verwundertes Lachen. Vielleicht wußte sie es selber nicht, daß es das erstemal war, daß sie richtig lachte.
    Aber Jess lauschte auf den Klang ihres Lachens. Es lag Musik darin, genau wie manchmal in ihrer Stimme. »Einen Roman über mich? Na, weißt du! Nein, das würde sicherlich ein dünner Roman werden! Wenn du glaubst, es ist auf Möwenfjord romantisch, so irrst du dich.«
    »Davon werde ich mich gelegentlich mal aus eigener Anschauung überzeugen - wenn es sich so trifft«, sagte Jess. »Meine Eltern haben davon geredet, daß sie Lust hätten, nächsten Sommer eine Reise in die Westlandsfjorde zu machen. Du sollst sehen, wir tauchen mal eines Tages bei dir auf.«
    »Aber dann bin ich jedenfalls nicht da.«
    »In den Ferien?«
    »Das ist ja noch so lange hin. Ich weiß es nicht. Die Reise ist so teuer. Wenn ich hier bleiben kann, dann will ich lieber versuchen, für die Ferien eine Arbeit zu finden. Es wäre fein, wenn ich etwas Geld verdienen könnte. Denn das Leben in der Stadt ist so unverschämt teuer.«
    »Unverschämt teuer« - Anne wußte nicht, daß sie einen Ausdruck gebrauchte, der ihr vor zwei, drei Monaten noch nicht auf die Zunge gekommen wäre.
    Jess ließ die dunklen Augen auf Anne ruhen. Es war eine neue Anne, die er hier sah, ein erwachsenes, vernünftiges Mädchen mit einem lebendigen und wachen Ausdruck in dem hellen Gesicht und mit einem so merkwürdig warmen Klang in der Stimme.
    Er stand ganz plötzlich auf, trat ans Fenster, schaute durch einen Spalt in den Vorhängen hinaus, ging zum Bücherregal hinüber und ließ den Blick über die Bücher wandern. Als er sich wieder

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