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Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Titel: Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Gestalt.
    »Ich danke Ihnen, daß ich habe kommen dürfen«, sagte Anne. Sie hatte nicht den geringsten Begriff davon, wie man sich benahm, wenn man zum ersten Male Gast in einem Hause war. Ja, sie war so völlig ahnungslos, daß sie nicht einmal verlegen wurde. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, daß dazu ein Grund vorhanden sein sollte. Sie fand es schrecklich nett, daß man sie eingeladen hatte, aber im übrigen war diese Sache doch so einfach und ohne Schwierigkeiten. Weiter dachte sie nicht. Darum gerade benahm sie sich hier ganz natürlich.
    Drinnen im Zimmer erhob sich ein Mann aus einem tiefen Lehnsessel. Ein Mann mit einem kräftigen, graugesprenkelten Haarschopf. Er hatte eine lange Pfeife in der Hand, trug eine alte, abgetragene Hausjacke und den sonderbarsten Schlips, den Anne je gesehen hatte - eine große, schwarzseidene Schleife.
    »Willkommen, kleines Fräulein! Nun lassen Sie sich einmal anschauen. Na, Sie sehen ja ganz menschlich aus!«
    »Hatten Sie - hatten Herr Kapellmeister denn etwas anderes erwartet?« Annes Stimme klang hell und munter. Ihr fiel ein, daß der Schuldirektor in der dritten Person angeredet wurde. Bei einem Kapellmeister war es sicher das gleiche.
    »Herr Kapellmeister!« Ein dröhnendes Lachen. »Daell heiße ich. Mein hoffnungsvoller Sprößling hat mir viel von Ihnen erzählt. Danach müssen Sie ja ein rechtes Unikum sein, ein Wunderkind, das einfach alles kann.«
    Anne stimmte in Herrn Daells Lachen ein. Sie war froh, daß sie sich hier so herrlich frei fühlen durfte. Zuerst hatte Jess sie aufgetaut. Der muntere Ton in Aspedals Familie hatte wohl auch das seine dazu beigetragen. Und die einfache Herzlichkeit, mit der man ihr hier bei Daells entgegentrat, tat jetzt ein übriges. Sie war wie verwandelt. Wieder streifte sie der Gedanke an daheim. Und sie verstand, daß sie nicht nur in eine Stadt gekommen war, nicht nur in einen anderen Landesteil, nicht nur zu anderen Menschen. Sie war in eine ganz andere Welt eingetreten. Eine Welt, in der der Geist, der Ton, die Sitten und Gebräuche so ganz verschieden waren von dem, was auf Möwenfjord galt. Sie sah wieder die Mutter vor sich, wie sie sich verhielt, wenn sie ganz, ganz selten einmal Gäste hatte. Sie erinnerte sich an die Feierlichkeit, an die höflichen Redensarten, an die Langsamkeit und Schwerfälligkeit, mit der man daheim zum Niedersitzen und Essen aufforderte - die schleppenden und bedächtigen Worte über das Wetter und das Meer und die Fischerei und den Betrieb. Das alles gehörte nun einmal zum Leben auf Möwenfjord. Aber hier.
    Nicht, daß Anne sich in irgendeiner Weise minderwertig vorkam, weil sie aus einer anderen Umgebung stammte. Sie stellte nur bei sich fest, daß es eben zwei verschiedene Welten waren. Welcher der Vorzug gebührte, das wußte sie nicht. Und es kam ihr auch gar nicht in den Sinn, sie gegeneinander abzuwägen.
    Jess verschwand mit der Mutter aus dem Zimmer. Gleich darauf kam er wieder herein, ein großes Teebrett vor sich hertragend. Anne machte große Augen. Ob Tore oder Magnus es sich je einmal einfallen ließen, den Tisch aufzudecken.? Aber für Jess war es offenbar etwas ganz Natürliches. Seine schlanken Musikerhände setzten geübt und leicht die dünnen Porzellantassen und Kuchenplatten nieder, als ob er nie etwas anderes getan hätte.
    Anne blickte sich um. Sie hatte bisher in der Stadt keine andere Wohnung gesehen als die bei Aspedals. Nein - einmal war sie kurz bei Frau Mortensen gewesen, um dort etwas auszurichten. Von daheim kannte sie wohl das Pfarrhaus und das Haus des Amtmanns. Aber dies - dies hier war etwas ganz Neues. Anne spürte hier bei Daells etwas von der Behaglichkeit der Studierstube beim Pastor, etwas von der schönen und gediegenen Eckstube beim Amtmann, durchsetzt mit Einzelheiten aus den heiteren Zimmern bei Aspedals. Es war ein Gemisch von Neuem und Altem, von Antikem und Modernem - und es war unendlich gemütlich.
    Die Familie Daell war wie ihre Umgebung: voll munterer Wärme, voll sicherer Freundlichkeit, voll gutem Frieden.
    Ja - dieser Friede senkte sich jetzt auch auf Anne. Eine wohltuende, sanfte Stille umgab sie nach all dem Gehetz und Gewühl bei Aspedals, nach all dem Kinderlärm, der Schufterei und Plackerei in den letzten Monaten.
    »Anne«, sagte Frau Daell, »ich berste vor Neugierde. Sicher werde ich Sie zu Tode fragen - darauf müssen Sie sich gefaßt machen!«
    »Wenn ich nur eine Antwort darauf weiß«, erwiderte Anne freundlich, »dann

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