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Anne Gracie

Anne Gracie

Titel: Anne Gracie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zarte Küsse der Sehnsucht
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hat­te. Ich ver­spre­che dir, dei­ne
Tu­gend ist bei mir in si­che­ren Hän­den.
    Sie hat­te
gar kei­ne Tu­gend mehr, die sie sich be­wah­ren konn­te, und das wuss­te er.
Trotz­dem hat­te er ver­spro­chen, sie zu ach­ten, und das mit so ru­hi­ger
Ernst­haf­tig­keit, als wä­re das ei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit.
    Er gab ihr
ih­re Eh­re zu­rück.
    An der Tür
blieb er noch ein­mal ste­hen. „Geht es dir jetzt bes­ser?“
    „J...ja, sehr
viel bes­ser, dan­ke“, stam­mel­te sie.
    „Gut. Ich
dach­te mir schon, dass es dir gut­tun wür­de, et­was zu es­sen. Schlaf gut.“
    Nell
starr­te auf die ge­schlos­se­ne Tür und woll­te ihm nach­ei­len, wuss­te je­doch
gleich­zei­tig, dass sie das nicht konn­te. Doch dass es ihr bes­ser ging, hat­te
nichts mit dem Es­sen zu tun, son­dern nur mit Har­ry Mo­rant.
    Schlaf gut, hat­te er zu ihr ge­sagt. Har­ry
hoff­te, dass sie das tat, aber all­zu große Hoff­nun­gen mach­te er sich nicht. Für
et­wa ei­ne Stun­de war es ihm ge­lun­gen, sie ab­zu­len­ken, so­dass sie ei­ne Wei­le
nicht an den Ver­lust ih­res Kin­des ge­dacht hat­te.
    Ihm selbst
war es al­ler­dings noch weitaus bes­ser ge­lun­gen, sich ab­zu­len­ken. Er stöhn­te
auf. Was war nur in ihn ge­fah­ren, sie zu füt­tern? Das wür­de er nicht noch
ein­mal tun, erst wie­der, wenn sie wirk­lich ver­hei­ra­tet wa­ren.
    Wenn sie
nun un­be­dingt bis zur Hoch­zeit hun­gern woll­te, wür­de er sie nicht mehr dar­an
hin­dern. Wahr­schein­lich nicht. Es wa­ren nur noch we­ni­ge Wo­chen, viel Scha­den
konn­te sie sich da­mit al­so nicht zu­fü­gen. Wahr­schein­lich nicht.
    Er ging
über den Flur in sein ei­ge­nes Schlaf­zim­mer und durch­stö­ber­te ei­ne Schub­la­de,
bis er das Ge­such­te ge­fun­den hat­te, ei­ne klei­ne
Glo­cke mit ei­nem Griff. Er schlang ein Stück Schnur durch den Griff, schlich
laut­los wie­der in den Flur und band die Glo­cke an ih­re Tür­klin­ke.
    Wenn Nell
die Tür öff­ne­te, wür­de die Glo­cke ihn auf­we­cken.
    Er wuss­te,
er brauch­te dann nur hin­über­zu­ge­hen und sich zu ihr ins Bett zu le­gen, ganz
keusch, wie in den letz­ten bei­den Näch­ten.
    Sie schlief
bes­ser, wenn er bei ihr war. Die Rin­ge un­ter ih­ren Au­gen wa­ren längst nicht
mehr so dun­kel, seit er an­ge­fan­gen hat­te, bei ihr im Bett zu schla­fen.
    Har­ry
hin­ge­gen fühl­te sich ganz und gar nicht aus­ge­ruht. Wenn er zu we­nig Schlaf
be­kam, konn­te er sich nicht mehr auf sei­ne Selbst­be­herr­schung ver­las­sen. Und
nach der letz­ten Stun­de war sei­ne Selbst­be­herr­schung stark an­ge­schla­gen.
    Er war sich
nicht si­cher, dass er wei­ter­hin mit ihr in ei­nem Bett schla­fen konn­te.
Je­den­falls nicht, oh­ne sie zu ver­füh­ren. Doch da­zu war sie
noch nicht be­reit. Aber sie wei­ter­hin ein­fach nur so im Arm zu
hal­ten, wür­de ihn um­brin­gen, da­von war er fest über­zeugt. Es hat­te ihn eben
sei­ne gan­ze Kraft ge­kos­tet, sich von ihr los­zu­rei­ßen und schein­bar ge­las­sen
aus dem Zim­mer zu ge­hen. Aber sie hat­te
Nein ge­sagt, ob­wohl er wuss­te, dass sie ihn eben­falls be­gehr­te. Gott, al­lein
die Vor­stel­lung, dass sie ihn be­gehr­te, brach­te sein Blut er­neut in Wal­lung!
    Doch ein
Nein war und blieb ein Nein. Har­rys Eh­re ver­bot es ihm, sich nicht dar­an zu
hal­ten.
    Wer war
bloß der Ver­bre­cher, der sie ver­ge­wal­tigt hat­te? Er wür­de nicht un­ge­straft
da­von­kom­men, nicht wenn Har­ry da ein Wört­chen mit­zu­re­den hat­te.
    Ein Mann,
der ei­ner Frau Ge­walt an­tat, ver­dien­te die Be­zeich­nung „Mensch“ nicht.
Und ein Mann, der je­man­dem wie Nell Ge­walt an­tun konn­te ... so ein Mann
ver­dien­te es nicht, am Le­ben zu blei­ben.

12. Kapitel

    than las sto­ckend den Brief von Tib­by,
den er an die­sem Tag er­hal­ten hat­te. Er war nicht in ih­rer sonst so or­dent­li­chen
Hand­schrift ab­ge­fasst, sie muss­te in Ei­le ge­we­sen sein. Und drau­ßen im Re­gen,
denn an man­chen Stel­len war das Pa­pier zer­knit­tert und fle­ckig, wo die Tin­te ver­lau­fen
war.
    Mein
lie­ber Mr De­la­ney,
    Ich muss
ge­ste­hen, ich bin et­was be­sorgt über den In­halt Ih­res letz­ten Briefs, vor al­lem
über das, was Sie über die­se Frau schrei­ben, der Sie den Hof ma­chen.

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