Anne Gracie
gehört sich nicht für die Tochter eines Earls, allein zu sein.“
„Sie sollte
genauso wenig hier sein. Sie begehen beide Hausfriedens...“
Aggie
fluchte derb. „Ach, Sie können mich mal. Ich bleibe hier und mache Miss Nells
Abendessen. Von mir aus können Sie Gesetze zitieren, bis Sie schwarz sind,
aber ich rühre mich nicht von der Stelle.“
Nell blieb
lauschend vor der Küchentür stehen und schmunzelte. Sie hätte sich denken
können, dass kein Londoner Anwalt Aggie gewachsen war.
„Madam, ich
kann Sie verhaften lass...“
„Pedlington“,
ertönte plötzlich eine tiefe Männerstimme. „Kein Wort mehr. Sie gehen jetzt
sofort ins White Hart und setzen diese Papiere auf. Ich komme heute Abend zu
Ihnen, um sie zu unterzeichnen und Ihnen meine Bankverbindung
mitzuteilen.“
„Aber diese
alte Frau ...“
„Ich
erzähle Ihnen gleich was – ,alte Frau`!“, brauste Aggie auf. „Wenn hier
einer eine alte Frau ist, dann Sie, weil Sie sich aufführen wie ...“
„Das
reicht, Mrs Deane. Ich sagte sofort, Pedlington.“ Mr Morants
Stimme klang sanft, hatte aber die Wirkung eines Peitschenhiebs.
Plötzlich
trat Stille ein, dann sagte Pedlington verdrießlich: „Also gut, Sir, aber ich
übernehme keine Verantw...“
„Gehen
Sie!“
Nell hörte,
wie die Hintertür der Küche erst auf- und dann wieder zuging.
„Nein,
wirklich, Sir!“, rief Aggie anerkennend. „Ich war ja fest entschlossen,
Sie nicht zu mögen, weil Sie Miss Nell ihr Zuhause wegnehmen, aber jemand, der
diesen dumm daherredenden Windbeutel so mühelos in die Flucht schlagen kann –
ehrlich, Sir, ich muss schon sagen ...“
„Kocht das
Wasser in diesem Kessel da?“, unterbrach Mr Morant sie in dem Moment, als Nell
in die Küche trat.
„Um Himmels
willen, ja, und da ist auch schon Miss Nell, und ich habe den Tee noch nicht
fertig!“ Aggie eilte zum Herd.
Mr Morants
Blick fiel auf Nell. „Dieses Grün steht Ihnen“, stellte er fest und Nell
fühlte sich plötzlich befangen. Sie widerstand dem Bedürfnis, glättend über
ihren Rock zu streichen und sich zu vergewissern, ob ihre Frisur noch in Ordnung
war. Bisher war sie für Männer immer so gut wie unsichtbar gewesen; ihre erste
und einzige Saison war katastrophal verlaufen. Die meiste Zeit war sie nicht
zum Tanzen aufgefordert worden, außer wenn sich einer von Papas Freunden ihrer
erbarmt hatte.
Dieser Mann
jedoch – bei Weitem der attraktivste Mann, dem sie je begegnet war – schien ihr
seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Und sagte ihr, dass ihr Grün
stand.
Sie
schluckte. Wenn sie ihn nur schon damals bei ihrem Debüt kennengelernt hätte
... als das Leben noch so viel einfacher gewesen war ...
Jetzt war
es zu spät.
„Ich habe
nach der Stute und dem Fohlen gesehen, beiden geht es prächtig. Um die
Nachgeburt habe ich mich auch gekümmert“, sagte er. Ihm entging ihr
Erstaunen nicht und er fügte lächelnd hinzu: „Nun, schließlich gehören die
beiden jetzt mir, wie Sie wissen.“
Ja, dachte
Nell, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass er ihr diese Arbeit abnehmen
würde, nachdem sie gesagt hatte, sie würde sie selbst erledigen. Das war ...
sehr galant.
Aggie hatte
ein Gedeck auf dem Tisch vorbereitet. Mr Morant rückte den Stuhl für Nell
zurecht, damit sie sich setzen konnte. Bestimmt wunderte er sich darüber, dass
sie in der Küche essen wollte, anstatt sich von Aggie die Mahlzeit ins
Speisezimmer bringen zu lassen.
Als Kind
hatte Nell die Wärme der Küche geliebt. In den letzten Jahren, als mehr und
mehr. Zimmer im Haus abgeschlossen worden waren und Nell sparen musste, hatte
sie es immer öfter hier hingezogen. Außerdem war es irgendwann einfach die praktischste
Lösung gewesen.
„Möchten
Sie mitessen, Sir?“, fragte Aggie. „Es gibt nichts
Weitere Kostenlose Bücher