Anne Gracie
wollen mich
trotzdem heiraten?“
„Ja“,
erwiderte er, ohne zu zögern.
Sie starrte
ihn verwirrt an. Sie war erneut vor die Wahl gestellt. Sie konnte Harry Morant
heiraten, den bestaussehenden Mann, der ihr je im Leben begegnet war. Er
begehrte sie, daran bestand kein Zweifel, das hatte sie deutlich genug gespürt.
Und sie, sie wollte ihn; allein bei seinem Anblick wurden ihre Knie weich.
Er begehrte
sie und wollte sich um sie kümmern. Und das würde er auch
tun, davon war sie überzeugt. Das war mehr, als man ihr je in ihrem Leben
angeboten hatte.
Aber sie
konnte nicht nach Firmin Court zurückgehen, nicht ohne Torie. Es war unfassbar
genug, dass dieser dunkle, ernsthafte Fremde Nell nach nur so kurzer
Bekanntschaft wollte. Doch wollte er auch Torie? Unwahrscheinlich.
Nicht
einmal Tories eigener Großvater hatte sie gewollt.
Nell holte
tief Luft und sagte ruhig: „Mr Morant, ich fühle mich sehr geehrt von Ihrem
Angebot – mehr, als ich sagen kann –, aber ich muss ablehnen. Es tut mir leid.
Ich kann nicht nach Firmin Court zurückkehren. Es ist einfach nicht
möglich.“
„Warum
nicht?“, wollte er wissen.
„Das
brauche ich Ihnen nicht zu erklären“, erwiderte sie. „Ein Gentleman sollte
sich mit einem Nein begnügen.“
Er
verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Tür. „Mag sein, aber
ich bin kein Gentleman.“
Wie sollte
sie ihm das nur erklären? Sie konnte ihm nichts von Torie erzählen, nicht,
nachdem Papa solche Mühen auf sich genommen hatte, Nell vor dem Skandal einer
unehelichen Schwangerschaft zu bewahren. Je mehr Leute davon wussten, desto
wahrscheinlicher war es, dass ihr Geheimnis ans Licht kam. Ihre Tochter jedoch
sollte nicht als Kind der Schande abgestempelt werden.
Nell hatte
alles genau geplant. Sobald sie Torie gefunden hatte, würde sie mit ihr
irgendwohin aufs Land ziehen, wo sie niemand kannte, und sich als Witwe mit
Kind ausgeben. Torie würde niemals die näheren Umstände ihrer Geburt erfahren.
Nur drei Menschen wussten darüber Bescheid, einer davon war tot.
„Glauben
Sie mir, Mr Morant, ohne mich wird es Ihnen besser gehen.“
„Das kann
nur ich allein beurteilen.“
„Nicht
ganz, fürchte ich. Die Entscheidung liegt bei mir, und ich begleite Mrs Beasley
nach London. Nichts von dem, was Sie sagen oder tun, kann mich davon
abbringen.“
Er runzelte
die Stirn. „Hat sie irgendetwas gegen Sie in der Hand?“
„Nein, natürlich
nicht. Aber die Arbeit bei ihr kommt mir sehr gelegen.“
„Gelegen?“,
brauste er auf. „Zwei Wochen in ihrer Gesellschaft, und Sie sind dünner denn
je. In Ihren Augen liegt ein gequälter Ausdruck. Und Sie können mir nicht
weismachen, dass sie Sie nicht schikaniert! Sie behandelt Sie wie ein
Dienstmädchen, und das vor Leuten, die im Rang weit unter Ihnen stehen. Das
kommt Ihnen ,gelegen`? Hin und her gescheucht zu werden von einer widerwärtigen
Hexe?“ Er legte ihr die Hand unter das Kinn und seine Stimme wurde wärmer.
„Es kommt Ihnen gelegen, so unglaublich erschöpft auszusehen, anstatt das
blühende Leben selbst zu sein?“
Bei seinen
liebevollen Worten schnürte sich ihr die Kehle zu, aber sie musste ihm
widerstehen. Torie zuliebe. „Das alles stört mich gar nicht.“
„Nun, mich
stört es gewaltig.“
„Es ist
aber nicht Ihre Angelegenheit“, wies sie ihn sanft zurecht. „Lassen Sie
mich jetzt bitte gehen – oder muss ich um Hilfe rufen?“
Er hörte
die Entschlossenheit aus ihrer Stimme heraus und trat widerstrebend zur Seite.
„Ja,
Harry, das war
wirklich unglaublich diskret, da muss ich dir zustimmen“, sagte Tante
Maude, während er langsam neben ihrer Sänfte herging. Der Rückweg war ihr zu
Fuß dann doch zu steil gewesen. „Ganz besonders bewundert habe ich, wie du –
nachdem du
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