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Anne Gracie

Anne Gracie

Titel: Anne Gracie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zarte Küsse der Sehnsucht
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ver­las­sen, aber da­mit wä­re auch je­der an­de­re fä­hi­ge Of­fi­zier
fer­tig­ge­wor­den. Sol­da­ten wa­ren aus­wech­sel­bar wie Schach­fi­gu­ren. Auf die
Aus­übung des Be­rufs kam es an, nicht auf die Men­schen.
    Nie­mand
hat­te Har­ry je wirk­lich ge­braucht.
    War es so,
wenn man ei­ne rich­ti­ge Fa­mi­lie hat­te? Er hat­te im­mer ge­dacht, er hät­te ei­ne
Art Fa­mi­lie. Er hat­te einen Bru­der, für den er ster­ben wür­de, und Ga­bri­el wür­de
das­sel­be für ihn tun.
    Aber sie
brauch­ten ein­an­der nicht. Gott, sie leb­ten so­gar in un­ter­schied­li­chen Län­dern,
Hun­der­te Mei­len von­ein­an­der ent­fernt. Ga­bri­el moch­te ihn bis­wei­len ver­mis­sen,
aber er brauch­te Har­ry nicht.
    Tan­te Mau­de
hat­te Nell er­zählt, sie hät­te ihn mit der Zeit lieb ge­won­nen wie einen ei­ge­nen
Sohn, doch er wuss­te ver­dammt gut, dass er für sie nicht le­bens­not­wen­dig war.
Die Bar­rows lieb­ten ihn und er lieb­te sie, aber er hat­te sie ver­las­sen, um sich
der Ar­mee an­zu­schlie­ßen.
    Acht Jah­re
im Krieg lehr­ten einen Mann, nichts und nie­man­den zu brau­chen – man muss­te
so­gar ver­mei­den, auf Freun­de an­ge­wie­sen zu sein, denn Freun­de konn­ten
plötz­lich von ei­ner Mi­nu­te auf die an­de­re ster­ben. Oder lang­sam und qual­voll.
Oder sie wur­den auf ei­nem Kar­ren ab­trans­por­tiert, um an­ders­wo zu ster­ben.
    Am En­de
wur­de man von al­len ver­las­sen.
    Aber wenn
er Nell ver­ließ ... Bei dem Ge­dan­ken drück­te er sie un­will­kür­lich fes­ter an
sich, er konn­te sie nie­mals ver­las­sen, un­mög­lich, je­den­falls nicht ab­sicht­lich
...
    Er könn­te
für sie tö­ten, er könn­te auch für sie ster­ben, aber sie ver­las­sen? Nie im
Le­ben.
    Aber was
war, wenn er ver­sag­te und ihr Kind nicht fand? Wür­de sie dann ihn ver­las­sen?
    Im sanf­ten
Licht des frü­hen Mor­gens hat­te ihr auf dem Kis­sen ge­fä­cher­tes Haar die Far­be
von Ka­ra­mell. Ei­ne Sträh­ne fiel ihr übers Au­ge, er strich sie be­hut­sam weg.
Ih­re Haut fühl­te sich an wie war­mer Samt.
    Im Schlaf
sah sie we­ni­ger ab­ge­härmt aus, jün­ger und wei­cher. Sie at­me­te ru­hig und
gleich­mä­ßig, ih­re Lip­pen wa­ren leicht ge­öff­net. Er spiel­te mit dem Ge­dan­ken,
sie zart und lie­be­voll wach zu küs­sen, dann lei­den­schaft­li­cher zu wer­den und
...
    Nein, noch
nicht. Er muss­te es lang­sam an­ge­hen, da­mit sie sich an ihn ge­wöhn­te und lern­te,
dass sie ihm ih­ren Kör­per an­ver­trau­en konn­te. Sie war so zer­brech­lich und
ver­wund­bar. Wer wuss­te schon, wel­chen Scha­den die­ser dre­cki­ge Schuft ihr zu­ge­fügt
hat­te ...
    Oh ja, er
könn­te ganz leicht für sie tö­ten.
    Er schloss
die Au­gen und ver­such­te Ord­nung in das Ge­fühl­scha­os in sei­nem In­nern zu
brin­gen. Gott, er war wirk­lich nicht auf die­se Ge­füh­le vor­be­rei­tet
ge­we­sen, als er be­schlos­sen hat­te zu hei­ra­ten. Er war Ge­füh­le nicht ge­wohnt.
    Sie war
ganz an­ders als die selbst­be­wuss­te, tüch­ti­ge und nüch­ter­ne Ehe­frau aus der
Mit­tel­schicht, die er sich aus­ge­malt hat­te. Er hat­te ge­glaubt, ei­ne Ehe­frau zu
neh­men sei in et­wa so wie ... einen Haus­ver­wal­ter ein­zu­stel­len. Je­man­den, der
sich um al­le häus­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen Be­lan­ge des Le­bens küm­mer­te. Er
hat­te sich ei­ne un­kom­pli­zier­te und füg­sa­me Ehe­frau vor­ge­stellt, die
hof­fent­lich auch die Freu­den im Ehe­bett ge­nie­ßen wür­de. Aber selbst, wenn das
nicht der Fall sein soll­te, so hät­te sie ihm doch im Lauf der Zeit Kin­der
ge­schenkt, und dann hät­te Har­ry ei­ne ei­ge­ne Fa­mi­lie ge­habt – ei­ne rich­ti­ge. All
das, oh­ne sein bis­he­ri­ges Le­ben all­zu sehr ver­än­dern zu müs­sen, so­dass er sich
in Ru­he der Zucht von preis­ge­krön­ten Renn­pfer­den wid­men konn­te.
    Nell war
das ge­naue Ge­gen­teil von die­ser Ehe­frau sei­ner Vor­stel­lun­gen, und doch er
wür­de sie um nichts in der Welt ein­tau­schen wol­len.
    Es war nur
... et­was, wor­an er sich ge­wöh­nen muss­te.
    Er war es
nicht ge­wohnt, sich mit so vie­len Emo­tio­nen be­fas­sen zu müs­sen – mit sei­nen und
mit ih­ren. Das war

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