Anne Gracie
habe ich keinen Hut! Ich muss doch
anständig aussehen. Sie werden nicht sehr hilfsbereit sein, wenn sie denken,
ich wäre keine anständige Frau. Und wie soll ich ohne Hut anständig aussehen?“
„Wir finden
einen Hut für dich.“
Sie rang
die Hände. „So früh am Morgen?“
Er sah an
ihr vorbei und entdeckte ihre Zofe, die den Flur entlang gelaufen kam. „Sie
hätten nach mir läuten sollen, Mylady“, sagte Cooper atemlos. „Ich wusste
nicht, dass Sie schon so früh ...“
„Lady Helen
benötigt einen Hut“, fiel Harry ihr ins Wort. „Wir sind unten zum
Frühstück ...“
„Ich kann
unmöglich etwas essen!“, widersprach Nell.
Harry legte
sich ihre Hand auf den Arm und wandte sich an die Zofe. „Seien Sie ein braves
Mädchen, finden Sie einen Hut für sie und bringen Sie ihn dann in den
Frühstückssalon.“
„Jawohl,
Sir.“ Cooper knickste und eilte davon.
„So, und
nun zum Frühstücken“, sagte er und führte Nell zur Treppe.
„Ich möchte
aber nicht.“
„Du wirst
etwas essen, sonst lasse ich dich nicht aus dem Haus.“
„Aber ...“
„Keine
Widerrede. Als du das letzte Mal nach deiner Tochter gesucht hast, bist du vor
Hunger zusammengebrochen. So etwas lasse ich nicht zu.“
Sie nickte
seufzend. „Also gut. Daran habe ich nicht ... Es ist nur, ich bin so nervös,
dass ich wahrscheinlich keinen Bissen hinunterbekomme.“
„Doch, das
wirst du. Glaub einem erfahrenen Soldaten, du wirst dich besser fühlen, wenn du
etwas im Magen hast.“
Arm in Arm
gingen sie die Treppe hinunter.
„Hast du
letzte Nacht in meinem Bett geschlafen?“, fragte sie unvermittelt.
„Ja. Du
hast wieder angefangen im Schlaf zu wandeln, da war es leichter, dich in dein
Bett zurückzubringen und dafür zu sorgen, dass du dort bleibst. Und es hat
funktioniert“, fügte er hinzu und fragte sich, warum er das Gefühl hatte,
sich dafür verteidigen zu müssen. „Du hast die ganze Nacht durchgeschlafen,
ohne dich zu rühren.“
„Ich dachte
mir schon so etwas. Ich danke dir.“
Er sah sie
überrascht an. Dank war das Letzte, was er erwartet hatte.
„Trotz
allem fühle ich mich nämlich ziemlich ausgeruht“, erklärte sie.
Das konnte
Harry von sich nicht gerade behaupten. „Frühstück“, verkündete er und
schob sie in den Salon. Trotz der knapp bemessenen Zeit hatte die Köchin sich
selbst übertroffen. Es gab Rühreier, Speck, Marmelade, Toast und süßes Gebäck,
dazu eine Kanne Kaffee und eine Kanne mit heißer Schokolade.
Nell
entschied sich für ein Stück Gebäck und heiße Schokolade, Harry für alles
andere.
„Ich habe
letzte Nacht eine Liste gemacht“, sagte er zwischen zwei Bissen. „Ich habe
die Orte markiert, wo du schon gewesen bist. Wir fangen mit allen Einrichtungen
im Nordwesten der Stadt an. Ich nehme an, dein Vater hat vermutlich eher einen
Ort in seiner näheren Umgebung ausgesucht, vielleicht in einer Gegend, in der
er sich auskannte, anstatt quer durch die ganze Stadt zu reiten.“
Nell
nickte. „Das klingt vernünftig.“ Sie hatte immer noch nichts gegessen,
aber wenigstens trank sie die heiße Schokolade. Ihre Hände zitterten, als sie
die Tasse anhob.
Harry
beugte sich vor und griff nach ihrer Hand. „Mach dir keine Sorgen, wir werden
sie finden. Und nun iss etwas.“
Sie nickte
erneut. „Ja, das werden wir, das werden wir“, sagte sie, als
wollte sie sich selbst davon überzeugen. Sie zerkrümelte das Gebäckstück auf
ihrem Teller. „Wir müssen“, fügte sie mit stiller Verzweiflung hinzu.
Es klopfte
an der Tür und Cooper trat ein. Über dem Arm trug sie einen langen Mantel, in
der Hand hielt sie einen Hut. „Ich habe einen Hut für Sie gefunden, Mylady. Es
ist ein alter von Lady Gosforth, aber ich habe ihn mit ein paar Bändern und Federn
verschönert ...“
„Vielen
Dank, Cooper!“ Nell sprang auf und
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