Anständig essen
sind sie leer. Die Fische ersticken stundenlang in den Schleppnetzen, und für ein Kilo Fisch werden drei Kilo Beifang umgebracht und dann einfach wieder tot ins Meer gekippt.«
Während der Verkäufer die Preise meiner Waren in die Kasse eingibt, geht die Diskussion über gestauchtes Wasser und geschundene Meerestiere munter weiter. Niemand ist genervt, weil ich gefragt habe. Das hätte ich mal bei Aldi an der Kasse versuchen sollen.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Argumenten für ungestauchtes Wasser hundertprozentig folgen kann, aber der Laden ist so nett und kuschelig und kommunikativ, dass ich hier unbedingt öfter einkaufen will. Der Verkäufer hat den Inhalt meines Weidenkörbchens in eine Papiertüte gepackt und möchte 36,89 Euro von mir haben. Mir müssen wohl die Gesichtszüge entgleist sein, denn er holt sehr freundlich das gefrorene Pfund Hack wieder aus der Tüte.
»Das Fleisch kostet schon 7,99 Euro. Das ist von Demeter. Soll ich es wieder herausnehmen?«
Jetzt weiß ich auch, warum in einem meiner Bücher Demeter der Mercedes unter den Bio-Verbänden genannt wird. Der Vergleich hinkt natürlich etwas, da bei der Fertigung von Mercedes-Automobilen meines Wissens keine Mondphasen oder andere kosmische Rhythmen berücksichtigt werden, wie sie in den anthroposophisch orientierten Demeter-Anbauverbänden eine Rolle spielen, aber das Hack kostet mehr als doppelt so viel wie das aus der Bio-Company und mindestens das Dreifache von dem runtergesetzten Bio-Hack aus dem Kaufland-Discounter, von dem Preis für konventionell hergestelltes Rinderhack mal ganz zu schweigen. Andererseits dürfen Demeter-Rinder ihre Hörner behalten, sollen jederzeit an die frische Luft können und stehen so oft wie möglich auf der Weide. Möglicherweise ist der Demeterpreis der echte Preis, den ein Landwirt nun einmal verlangen muss, wenn er in der Lage sein will, gesunde Tiere halbwegs anständig zu halten und qualitativ hochwertiges Fleisch zu produzieren.
Abgesehen von den letzten vier oder fünf Jahrzehnten war es immer eine teure Angelegenheit, Tiere zu mästen. Dass die Römer sich mit »Brot und Spielen« zufriedengaben und nicht »Fleisch und Spiele« verlangten, lag nicht etwa daran, dass sie alle Vegetarier gewesen wären, sondern daran, dass niemand ihren Wunsch nach »Fleisch für alle« hätte erfüllen können. Fleischproduktion ist ineffizient. Zwischen 6 und 26 pflanzliche Kalorien muss man verfüttern, um später eine Kalorie eines Hähnchens, Steaks oder Koteletts auf dem Teller wiederzufinden. Fleisch essen bedeutet also die Vernichtung riesiger Lebensmittelmengen, mit denen man 6 bis 26 Mal so viel hungrige Menschen ernähren könnte. Noch in den 50er-Jahren waren viele Ernährungswissenschaftler davon überzeugt, dass Fleisch niemals ein billiges Massenprodukt werden könnte. Erst eine neue Dimension von Unbarmherzigkeit und Rücksichtslosigkeit machte es möglich, dass Fleischkonsum in den westlichen Industrienationen für alle Einkommensklassen zu etwas Alltäglichem wurde – das Zusammenpferchen von Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten bisan die Grenzen des Machbaren, die Einfuhr von Mastfutter aus Ländern, die ihre Feldfrüchte eigentlich ganz gut für ihre eigene unterernährte Bevölkerung hätten gebrauchen können, und eine züchterische Auslese, die nicht mehr das gesunde, fortpflanzungsfähige Tier, sondern ein geflügeltes Monster mit orthopädischen Problemen anstrebte.
»Und, soll ich das Hack jetzt wieder herausnehmen?«
Ich schüttele tapfer den Kopf.
Was heißt schon teuer? Letzte Woche erst habe ich, ohne mit der Wimper zu zucken, 600 Euro für einen HD -Fernseher ausgegeben. Selbst bei meinen Sportschuhen achte ich penibel darauf, dass es ja die richtige Marke ist. Koste es, was es wolle. Und bei dem, was ich esse, bei dem, woraus sich mein eigener Körper aufbaut, mein Blut, meine Muskeln, meine Leistungsfähigkeit und Gesundheit, soll es auf einmal das Billigste vom Billigen sein? Da stimmt doch irgendetwas nicht. Allerdings werde ich mein Hack wohl demnächst wieder in der Bio-Company kaufen. Da durften die Rinder aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf die Weide.
Zu meiner großen Überraschung erweist sich das Mineralwasser aus den tiefsten Tiefen tatsächlich als äußerst wohlschmeckend, obwohl ich ihm noch nicht einmal die Gelegenheit gegeben habe, sich in einem Krug auszubreiten. Jiminy findet ebenfalls, dass es besser schmeckt, auch wenn wir beide nicht gut erklären
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