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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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einordnen.
    Plötzlich überfiel ihn ein Gefühl des Verlassenseins. Und dieses Gefühl schwamm hinüber in eine Sehnsucht, wie er sie kaum verspürt hatte, eine Sehnsucht nach Evelyn. Ihm war, als müsse er auf der Stelle aufbrechen zu ihr, vorbehaltlos. Nur sollte alles so sein wie in den ersten Monaten ihrer Bekanntschaft, unbeschwert, voller Liebe und Zärtlichkeit. Ich werde sie anrufen, ihre Stimme hören…
    Ein »Achtung, liebe Kollegen«, das laut aus einer Tonsäule drang, ließ Thomas zusammenfahren. Es folgte eine kurze Dankrede Neubers für die Bereitschaft, New Maori in einer schwierigen Situation so selbstlos zu unterstützen. Die Rede lief vom Band. Typisch, dachte er.
    Nach der Ansprache, die mehr oder weniger aufmerksam, jedenfalls aber ohne Begeisterung aufgenommen wurde, rief der Dispatcher Namen und die Nummern der zugeteilten Boote auf.
    »…Kollegin Clifford, Thomas Monig, Kai Sund – U einundzwanzig.«
    Oh, dachte Thomas, ein weiblicher Kommandant. Na ja, ein Lichtblick. Clifford? Habe ich doch schon einmal gehört hier, überlegte er.
    Er nahm seinen Beutel mit einigen persönlichen Dingen auf und schlenderte suchend am Kai entlang. Die Numerierung der Boote war weder fortlaufend, noch lagen sie der Reihe nach. Je mehr von den neuen Besatzungen aufgerufen wurden, desto größer wurde das Durcheinanderlaufen. Auch eine Organisation, dachte er grimmig. Er sprach eine junge Frau an, die ihm, ebenfalls suchend, entgegenkam. »U einundzwanzig?« fragte er.
    »Vierzehn«, antwortete sie mit dunkler Stimme, akzentgefärbt. »Ich glaube, einundzwanzig liegt dort.« Sie wies mit dem Daumen über die Schulter.
    Schade, dachte Thomas, von der hätte ich mich gern kommandieren lassen. Augen waren das, fast schwarz, wie Thomas sie noch nie gesehen hatte – und die Stimme…
    Am Turm des dritten Bootes vor ihm lehnte eine Gestalt, metallisch schimmernd wie der Turm, lässig in der Sonne, Kopf und Schultern blondhaarumhüllt.
    Bevor Thomas den Bug umgangen hatte, um die Nummer zu lesen, schallte es herüber. Mit dem Klang dieser unverwechselbaren Stimme kam schlagartig die Erinnerung: Das war Kapitän Ann! »Einundzwanzig«, rief sie. Thomas seufzte ergeben und balancierte vorsichtig über den schmalen Steg. »Monig«, stellte er sich vor, ungeachtet der Tatsache, daß er das vor zehn Tagen schon einmal getan hatte, aber damals hatte sie ihn wohl kaum beachtet.
    Sie gab ihm die Hand, eine schöne, schmale Hand. Überhaupt entsprach die Frau nicht seiner Erinnerung, so daß er, wäre die Stimme nicht gewesen, Zweifel gehegt hätte, ob sie es überhaupt sei. Bisher hatte er sie nur gehört und nur wenig mehr als ihre baumelnden Beine aus der Nähe gesehen. Was konnte sie schon für ihre Raspelstimme!
    Wie sie da im hautengen, metallisch glänzenden Anzug am Turm lehnte und Thomas ziemlich ungeniert von oben bis unten betrachtete, war sie eine recht ansehnliche, gut gewachsene Frau. Die langen, und wie es ihm schien, naturblonden Haare verhüllten fast den Oberkörper und ließen nur einen Teil des Gesichts frei.
    Thomas räusperte sich. Ann Clifford hatte die Musterung beendet, legte den Kopf zurück, das Gesicht zur Sonne und schloß die Augen, von denen Thomas den flüchtigen Eindruck hatte, daß sie hellgrau waren.
    Er beschloß, es ihr gleichzutun, also sich zu sonnen. Schließlich war sie der Kommandant. Er füllte das Nichtstun nun seinerseits mit einer intensiven Betrachtung seines Gegenübers aus, wobei ihm sehr zupasse kam, daß sie die Augen geschlossen hielt.
    Das Gesicht war gebräunt, ebenso Hände und Füße, die als einziges aus dem hochgeschlossenen Trikot hervorsahen. Flüchtig dachte er an die zu erwartenden fünfunddreißig Grad im Schatten, aber das war schließlich ihre Angelegenheit. Das, was er vom Gesicht sehen konnte, war ebenmäßig. Die Nase hatte einen leichten Höcker, was dem Aussehen Strenge verlieh. Sie verzog den Mund spöttisch, wohl weil sie fühlte, daß er sie musterte. Thomas sah weg, mehr konnte er von seinem Standort aus ohnehin nicht wahrnehmen. Schon die Augenpartie war durch die wirklich bewundernswerte Haarpracht verdeckt.
    »Hallo«, rief jemand mit heller Stimme. »Sund.« Einer in Thomas’ Alter stand auf dem Deck, blond, mit rundem Kopf und Apfelbacken. Er hielt sich die Hand über die Augen, weil er gegen die Sonne blickte.
    »Da wären wir komplett«, sagte Kommandant Ann und reichte dem Neuankömmling ebenfalls die Hand. »Von wo?«
    Mich hat sie nicht

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