Antarktis 2020
Ann.
Kai betätigte den Schalter. Es war keine völlige Finsternis, die sie umgab, es war die Grenze zwischen Farbig- und Schwarzweiß-Sehen. Vom Grau vor der Scheibe ging die Dunkelheit nach oben in Grün über.
Unheimlich! Und obwohl er diesen Gedanken zurückdrängte, überlief Thomas eine Gänsehaut. Der Kreuzer vor ihnen war zu einem nur ahnbaren schwarzen Klumpen geworden, Gittermaste und Netz waren verschwunden.
Ein paar Kontrollampen auf dem Pult leuchteten schwach. Thomas sah neben sich die glitzernden Augen von Ann. Er fühlte sich zu ihr hingezogen.
Offenbar ging es Kai ähnlich. Er sagte dann nach einem lauten Räuspern: »Da stehen wir nun wie die sieben vor Theben, da sie in die Stadt wollten, und die Tore wurden ihnen nicht aufgetan.«
Es sollte lustig klingen, vielleicht wollte er alle, wie vorhin Ann, zum Lachen bringen, was freilich gründlich mißlang. Im Gegenteil, seine Alberei unterstrich das Abnorme der Situation.
In Thomas klangen die Worte nach: »in die Stadt wollten… nicht aufgetan…«, und dann platzte er heraus: »Drin muß doch ein Stützpunkt sein! Leute, die uns beladen sollen…«
Er ahnte, daß Ann lächelte. »Daran denke ich die ganze Zeit«, sagte sie weich. »Aber dies hier ist das einzige Tor zu ihnen. Und selbst wenn wir in das Netz ein Loch machen, spüren uns die da drüben auf. Die Kreuzer haben mit Ausnahme der Waffen fast noch alle kriegstechnischen Geräte an Bord, auch den Infrasucher. Und trotzdem, uns wird schon etwas einfallen«, fügte sie verbissen hinzu.
Der geht es schon lange nicht mehr um die Ernte, dachte Thomas. Schließlich kam es auf die eine Produktionsstätte nicht an. Sicher hatten die anderen Boote in den anderen Gärten mehr Glück. Richtig. Warum liegt der Kreuzer gerade hier? »Warum sperren sie gerade hier?« fragte er Ann.
»Daß sie nur hier sperren, ist nicht sicher. Wir haben zwei Fahrzeuge von ihnen festgestellt. Vielleicht machen sie den Unsinn auch noch woanders. Aber daß Mike hier ist, ist kein Zufall. Dies ist zwar nicht der größte Garten, aber der ergiebigste und der mit der besten Qualität. Und er ist überreif. Hier entsteht der größte Verlust, wenn nicht bald etwas geschieht.« .
»Wann könnte U zwölf Hilfe bringen?« fragte Kai.
»In frühestens sieben Stunden. Die Dinger fahren nicht so schnell wie wir neulich, Tom.«
Drüben flammte ein Scheinwerfer auf, blendete direkt in die Scheibe, ging aus, wieder an, im wechselnden Rhythmus, systematisch. »Sie wollen etwas«, sagte Kai.
Ann buchstabierte: »W-i-r h-a-b-e-n U-…« Sie brach ab.
Von drüben kamen jedoch weitere Signale. Sie verheimlicht uns den Text, weiß, daß wir nicht so schnell folgen können, dachte Thomas.
Plötzlich erlosch der Scheinwerfer. Es dauerte eine Weile, bis der matte Schein auf den Gesichtern wieder zu sehen war. Ann saß zwischen ihnen. Sie blickte starr geradeaus.
»Was wollen sie?« fragte Thomas leise.
Sie sagte nichts, dann nach einer Weile so sanft, daß ihre Stimme brüchig wurde, als ob sie weinte – Thomas war jedoch ganz sicher, daß sie das nicht tat –: »Jungs, es wird keinen Zweck haben – eigentlich sollte ich euch das ersparen…« Und plötzlich laut: »Ihr könnt doch was vertragen, ja?« Kai und Thomas nickten mechanisch. »Also«, und jetzt sprach sie wieder leise: »Sie sagen, sie haben U zwölf aufgebracht. Das heißt, wenn sich die Zentrale auf die wenigen Brocken von vorhin keinen Reim macht, wird’s noch eine Weile dauern, bis dem Dispatcher etwas auffällt. Die Funkstörung ist nichts umwerfend Neues, das gibt es manchmal. Also, wir werden ihnen ihren Willen lassen und heimfahren.«
»Ich weiß nicht«, Thomas mußte sich räuspern, »wie Kai denkt – aber ich meine, das kommt nicht in Frage!«
»Sage ich auch – ist doch selbstverständlich«, murmelte Kai.
»Na gut«, sagte sie schnell und, wie es schien, erleichtert. Was hat sie, dachte Thomas, warum ist sie so hartnäckig? Er wunderte sich über seine schnelle Bereitschaft. Hätte er gezögert, führen sie jetzt zurück. An dem Ernteverlust dürfte die Erde nicht zugrunde gehen.
Er gestand sich ein, daß die Frau, die nur um weniges älter sein konnte als er, ihn faszinierte. Nicht als Frau, nicht nur. Sie war so gänzlich anders als Evelyn beispielsweise. Wenn jemand mit Evelyn zusammen ist, und sei es auch nur so kurze Zeit wie wir mit Ann, wüßte er, was sie machen wird, wie sie reagieren wird. Aber Ann…?
»Nun gut«, sagte sie
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