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Antonio im Wunderland

Antonio im Wunderland

Titel: Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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rasiert und
    eingestäubt mit einem atemberaubenden Duft, sitzt er
    mir gegenüber. Seine Augen strahlen, er wirkt taten-
    durstig, jung, fast kindlich. Er kann so wunderbar neu-
    gierig aussehen, das mag ich an ihm.
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    «Oookay», sage ich. Ich kann auch neugierig ausse-
    hen. «Was machen wir jetzt? Warum sind wir hier?»
    «Diese klein Abordnung hat ein Aufgabe zur Über-
    bringung von Fakte und zur Rettung?»
    Hä? Ich verstehe nur Bahnhof. 1
    «Was für Fakten? Was für eine Rettung? Wem willst
    du was überbringen?»
    Antonios Übersetzer, Kegelbruder und bester Freund
    Benno kommt an unseren Tisch und stellt seinen Teller
    mit in Damenstrumpfhosen gestopfter Säugetier-Bio-
    masse ab. Er hat noch einen großen Klumpen weißli-
    ches Rührei draufgeschmonzt. Hmm, lecker.
    «Mauro.»
    «Wie, Mauro?», frage ich. «Wer ist Mauro?»
    «Na, Mauro, habi dirdo erzählte von Mauro.»
    Jetzt dämmert mir etwas. Vor Jahren war mal die Re-
    de von einem gewissen Mauro. Das war ein Schul-
    freund von Antonio, einer aus seiner Kinderbande. Mit
    den Jungs von der Porta Mancina hatte Antonio großar-
    tige Abenteuer erlebt. Einer von ihnen war damals mit
    seinen Eltern ausgewandert. Nach Amerika. Sein Name
    war Mauro gewesen, das weiß ich noch.
    «Du meinst den Mauro aus Campobasso?»

    1 In Italien gibt es diese Redewendung auch so ähnlich. Dort sagt man «non capisco un cavolo» , also «verstehe nur Kohl». Kohl ist in diesem Zusammenhang nicht weniger merkwürdig als Bahnhof.
    Im Süden verbreiteter ist «non capisco un cazzo» , was die Sache in den Bereich des Geschlechtlichen bringt, aber auch nicht unbedingt verständlicher macht. Überall im Land gilt «non capisco un tubo» ,
    «verstehe einen Schlauch». Was das soll, weiß kein Mensch.
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    «Jawoll, meini. Wir müssen der besuchen.»
    «Aha, und was willst du von dem?»
    Antonio trinkt einen Schluck von dem Espresso,
    sieht angewidert in die Tasse, stellt sie ab und schiebt
    sie mit einer theatralischen Geste über den halben
    Tisch. Dann erfahre ich den Zweck unserer Reise.
    Mauro Conti wanderte in den fünfziger Jahren aus,
    damals war er ungefähr fünfzehn Jahre alt. Sein Vater
    hatte als Arzt etwas Geld zurückgelegt, und so konnten
    die Contis sich die Überfahrt leisten. Mauro durfte so-
    gar studieren und wurde Architekt, wie Antonio aus-
    führt. Mein Schwiegervater holt weit aus, berichtet von
    der langen Tradition großartiger Baumeister in seinem
    Heimatland und kommt schließlich zum Kern seines
    Plans. Was nämlich bauen Architekten? Häuser! Und
    was geht in Campobasso gerade zugrunde? Häuser!
    Und wer wäre besser geeignet, dieser Misere entgegen-
    zutreten als der weltberühmte Mauro Conti? Ich bin
    sprachlos über so viel Logik. Benno verzehrt Würst-
    chen Nummer 14 und sagt: «So sieht dat mal aus.» Of-
    fenbar kennt er den Plan schon. Weiter geht’s.
    Er, Antonio Marcipane, wird den bewunderten, den
    großen Sohn der Stadt Campobasso nach Hause holen,
    auf dass dieser sein Lebenswerk mit der Restaurierung
    seiner Heimat kröne. Das wirft natürlich Fragen auf.
    Warum muss es denn zum Beispiel unbedingt Mauro
    Conti sein, der die Altstadt vor dem drohenden Abriss
    bewahrt? Es gibt doch jede Menge hoch angesehener
    Architekten in Italien. Und darüber hinaus auch in
    anderen Ländern. Görlitz ist ja auch nicht von Mauro
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    Conti renoviert worden. Antonio sieht mich mitleidig
    an. Campobasso sei doch total pleite, die könnten sich
    das doch gar nicht leisten. Aber Mauro werde natürlich
    kostenlos arbeiten, für umme, wie es so schön heißt.
    Hier geht es um Heimat, um Verpflichtung. Er wird es
    uns nicht abschlagen, wenn wir als dreiköpfige Delega-
    tion kommen und ihn bitten. Daher auch keine schrift-
    liche Anfrage, so etwas muss man nun einmal per-sön-
    lich machen. Da muss man mit den Augen arbeiten.
    Hier hat Antonio Recht, bei mir hat er auch schon er-
    folgreich mit den Augen gearbeitet.
    «Also gehen wir gleich zu ihm und überreden ihn,
    nach Italien zu kommen», fasse ich kurz zusammen.
    «Sobalde wir ihm gefunde habe.»
    «Moment mal. Du hast keinen Termin mit ihm ge-
    macht?»
    «Weißi seiner Adress?»
    «Toni, sag jetzt nicht, dass du gar nicht weißt, wo er
    in New York wohnt oder sein Büro hat?»
    «Nein, kein Ahnung, aber kann ja nickte zu kompli-
    zierte sein. Fur dieser Dinge biste du da in unser Team.»
    «Das heißt, der Typ weiß auch gar nicht, dass du ihn
    besuchen willst?»
    «Wozu? Iste ein

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