Antonio im Wunderland
aus seiner Tasche und wählt eine Nummer,
dann dreht er sich um. Wahrscheinlich will er Verstär-
kung holen. Ich mache Monsterkrallen, schiebe den
Unterkiefer nach vorne und reiße die Augen auf. Act
crazy! Der Trainingsanzug bückt sich und schaut mich
von unten an.
«Hey, hallo, jemand zu Hause?», fragt er. Du kriegst
meine Kreditkarten nicht, Kumpel. Versuche nicht, ein
verrücktes Gnu auszurauben. Ich mache «Wuhuuu»,
und dann berührt mich jemand von hinten, einer hat
seine Hand auf meine Schultern gelegt. Ich fahre herum
217
und spucke drauflos. Das gefällt dem Polizeibeamten
nicht sehr. Ich habe doch tatsächlich einen Cop ange-
spuckt. Der Mann reagiert mit dem gewissen Beam-
tentrotz, der in der ganzen Welt zu Hause ist. Er wischt
sich die volle Ladung von der Backe, schubst mich von
sich, setzt nach, und als ich stolpere, drückt er mich zu
Boden. Antonio schreit «Aufhör, aufhör», und da biegt
auch schon ein Streifenwagen um die Ecke. Super, mit
dieser tollen Sirene. Sehr effektvoll. Ich liege auf dem
Bauch und rühre mich nicht, während zwei weitere
Cops aus dem Auto steigen und auf uns zukommen.
«Werden Sie ruhig auf dem Boden liegen bleiben,
wenn ich Sie loslasse, Sir?»
Ich nicke, und er lockert seinen Griff. Ich sehe, wie
die drei Beamten sich unterhalten.
«Was ist genau passiert?», will nun der älteste Poli-
zist, ein Weißer mit weißen Haaren, wissen. Darauf
tritt der Bursche mit dem weißen Trainingsanzug vor
und sagt: «Der Mann hat uns schon die ganze Zeit im
Zug angestiert. Leroy und ich sind hier ausgestiegen
und haben auf meine Schwester gewartet, da hat er sich
in die Nähe gestellt und so getan, als würde er eine
Straßenkarte lesen. Aber in Wirklichkeit hat er immer
zu uns rüber gesehen, Officer. Wie so’n Perverser
aus’m Fernsehen.»
«Und dann?»
«Dann hat er auf einmal angefangen, sich wie’n Wil-
der aufzuführen. Wir wollten ihm helfen, aber da ist er
total ausgerastet.»
Leroy mischt sich ein: «Genauso war’s, Officer.» Er
218
hebt sein Funkelhandy in die Luft. «Ich habe bei der Po-
lizei angerufen. Ich glaube, der wollte uns ans Leder,
und dann ist er verrückt geworden.»
Der Polizist wendet sich an Benno und Antonio.
«Können Sie das bestätigen?»
Benno und Antonio sehen sich an, sie haben natür-
lich kein Wort verstanden und antworten im Chor:
«Ja.»
Meine Lage wird dadurch nicht gerade verbessert. Ich
setze mich auf und frage: «Darf ich auch mal was sa-
gen?», worauf der jüngere Polizist aus dem Wagen mich
anherrscht, ich solle auf dem Boden liegen bleiben.
«Wo kommen Sie her?», fragt der Weißhaarige in
Richtung Benno. Die Frage hat er verstanden und
strahlt über das ganze Gesicht, weil er endlich auch
mal was zur Unterhaltung beitragen kann.
«Krefeld.» Seine Antwort verwirrt die Kollegen, und
für einen Moment hat es den Anschein, als würden sie
Benno in putativer Notwehr erschießen. Nun kommt
Trainingsanzugs Schwester dazu. «Können wir gehen,
Officer?», fragt Leroy. Die Beamten lassen die Jugendli-
chen ziehen und wissen nun auch nicht, was sie mit
mir machen sollen. Sie ahnen ja nicht, dass ich zu den
beiden älteren Gentlemen aus diesem Land namens
Kräifelt gehöre. Ich sage mit dem Gesicht zum Boden:
«Sir, das ist mein Schwiegervater. Wir sind Touristen
aus Deutschland.»
«Wer ist Ihr Schwiegervater?» Der Weißhaarige ist
verwirrt.
«Antonio, kannst du mal die Hand heben?» Ich wür-
219
de gerne wieder aufstehen. Antonio hebt die Hand und
lächelt die Polizisten an. Das Goldzahnlächeln.
«Stehen Sie bitte auf, Sir.»
Ich stehe auf und versuche, den Uniformierten so
knapp wie möglich zu erklären, was gerade passiert ist.
Die Sache mit dem crazy acting lasse ich aber weg. Ich
sage stattdessen, mir sei plötzlich übel geworden.
«Was machen Sie hier? Das ist normalerweise keine
Gegend, in die man als Tourist kommt.» Da hat er
Recht. Ziemlich trist hier.
«Wir sind zum Barbecue eingeladen. Bei einem Beam-
ten von der Zollpolizei. Sein Name ist Pino Carbone.»
So langsam entspannt sich die Lage. Meine Angaben
überzeugen die Cops zumindest so weit, dass ich nicht
verhaftet werde.
«Sie haben Sergeant Hobbs angespuckt, Sir. Wir
können das nicht tolerieren.»
Ich entschuldige mich geflissentlich. Mister Hobbs
sieht nicht nachtragend aus, aber auch nicht richtig
überzeugt. Auf jeden Fall trollt er sich. Die beiden an-
deren stehen
Weitere Kostenlose Bücher