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Antonio im Wunderland

Antonio im Wunderland

Titel: Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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unschlüssig mit uns auf der Straße herum.
    Schließlich fragt old whitewig nach der Adresse von
    Pino. Ich reiche ihm den Zettel, und er sagt: «Das ist
    mehr als zwei Meilen von hier entfernt. Ich schlage vor,
    dass wir sie dorthin bringen, bevor Sie sich noch weite-
    ren Ärger zuziehen.»
    «Das ist aber nett von Ihnen.»
    «Ich will in meinem Bezirk keine Scherereien. Und
    Sie drei sehen nach Ärger aus.»
    Das hat noch nie jemand zu mir gesagt, ich finde, es
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    klingt beinahe schmeichelhaft. Wir steigen in das Poli-
    zeifahrzeug, und die beiden Cops bringen uns zu Pino.
    Wir kommen dadurch überpünktlich, aber das stört
    mich wenig. Auf der Fahrt spricht niemand, ich habe
    Zeit, die Situation noch einmal Revue passieren zu las-
    sen. Mein Auftritt war an sich schon peinlich genug, aber
    noch viel unangenehmer ist mir, dass ich die beiden
    schwarzen Jungs verdächtigte, mich ausrauben zu wol-
    len. Warum habe ich das getan? Weil sie schwarz waren?
    Weil ich Angst hatte? Weil ich überhaupt keine Ahnung
    vom Leben in dieser Stadt habe? Weil ich ein Weichei
    bin? Oder weil sie mich vielleicht schon überfallen hät-
    ten, bloß nicht am helllichten Tag? Ich werde es nie er-
    fahren, aber es bedrückt mich, denn ich bin ein politisch
    korrekter Deutscher, und mein Verhalten war nicht kor-
    rekt. Von der Scham bekomme ich ganz warme Füße.
    Es wäre nicht nötig und es verstärkt meine Seelen-
    pein, dass der Officer es sich nicht nehmen lässt, ei-
    genhändig an der Tür von Pinos schmalem Häuschen
    zu klingeln. Es ist ein graues Reihenhaus in einer Stra-
    ße mit lauter grauen zweistöckigen Reihenhäusern, die
    alle ziemlich heruntergekommen aussehen. Vor den
    Häusern kleine Vorgärten mit zertrampeltem Rasen,
    der jetzt im November die Farbe der Häuser annimmt.
    Es ist nicht auszuschließen, dass es hier im Sommer
    richtig nett aussieht, aber im Moment wirkt das alles
    etwas trostlos, selbst wenn es ungewöhnlich warm ist
    an diesem Sonntag. An manchen Häusern hängen Bas-
    ketballkörbe.
    Auf der Straße stehen kleine japanische Autos, hier
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    und da auch amerikanische Mittelklasse. Queens ist so
    etwas wie der Vorhof zum amerikanischen Traum. Wer
    hier wohnt, kommt vielleicht noch woandershin. Von
    anderen Gegenden dieser Stadt lässt sich das nicht sa-
    gen. Aber da fahren wir nicht hin. Mein Reiseführer rät
    dringend davon ab. Aber ich würde ohnehin nicht auf
    die Idee kommen, durch Bedford Stuyvesant zu spazie-
    ren. Wenn ich das nicht in Hamburg oder Berlin in den
    entsprechenden Gegenden tun würde, warum dann
    ausgerechnet in New York? Pino öffnet die Tür, und vor
    ihm steht zunächst einmal ein Streifenpolizist. «Ich
    bringe Ihren Besuch», sagt Weißkopf und lässt es sich
    nicht nehmen, ausführlich zu schildern, wie ich zu-
    nächst zwei Jugendliche bedrängt, dann schweren
    Landfriedensbruch begangen und schließlich seinen
    Kollegen bespuckt habe.
    Pino hört sich das alles an und nimmt auch die
    schulmeisterliche Ermahnung, gut auf uns aufzupas-
    sen, gelassen entgegen. Als die Cops weg sind, sagt er:
    «Ihr habt Nerven. Zwei Tage in New York, zweimal ver-
    haftet. Auch ’n Kunststück.» Genau genommen sogar
    schon dreimal, wenn man die Sicherheitskontrolle am
    Düsseldorfer Flughafen mitzählt. Von dem Saurierzahn
    erzähle ich ihnen natürlich auch nichts. Er führt uns
    durch einen dunklen Flur ins Wohnzimmer, wo eine
    vielköpfige Familie an einem Tisch sitzt und aus einem
    Kanister Coca-Cola trinkt. Antonio schiebt sich in den
    Mittelpunkt der Szene, indem er die ganze Mannschaft
    auf Italienisch begrüßt. Es ist, als würfe man einen
    Fisch in ein Aquarium, in dem schon zwanzig Fische
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    von derselben Sorte schwimmen. Mein dicker alter
    Schwiegervaterfisch schlägt einmal mit der Schwanz-
    flosse und verschwindet dann zwischen den anderen.
    Schon bald herrscht ein großes fröhliches Getöse.
    Pino hat allerhand Cousins und Tanten, die älteren er-
    innern sich sogar noch an Campobasso. Die Kinder,
    von denen man bis zu einem gewissen Alter absolut
    nicht sagen kann, welchem Geschlecht sie angehören
    (meistens hält man dann kleine dicke Jungs für kleine
    dicke Mädchen), sind von genau demselben Kaliber wie
    in Italien, dabei sind das alles waschechte kleine Ame-
    rikaner.
    Pino legt aber großen Wert auf seine Abstammung,
    es wird von fast allen nur Italienisch gesprochen, und
    auch die Einrichtung spiegelt seine Herkunft wider.
    Natürlich hängt ein großes

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