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Antonio im Wunderland

Antonio im Wunderland

Titel: Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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Winz-
    wanne. Man kann nur mit angezogenen Knien darin
    sitzen. Körperpflege ist in diesem Land wirklich eine
    große Herausforderung. Gegen 20 Uhr verlasse ich das
    Hotel und mache mich auf die Suche nach etwas, wo
    keine italienischen Rentner und inkontinenten Rhein-
    länder sitzen. Schließlich lande ich in einem Lokal, das
    so duster ist, dass ich meine Füße nicht sehen kann.
    Ich setze mich an die Bar und mache nicht den Fehler,
    Budweiser 1 zu bestellen. Ich nippe an meinem Bier, 1 Bierkenner wissen: Das amerikanische Budweiser hat leider überhaupt nichts zu tun mit dem köstlichen tschechischen Budweiser.
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    und so langsam schwingt der Gong der letzten Tage in
    meinem Kopf aus, ich komme zur Ruhe, bestelle noch
    eine Flasche. Was habe ich bisher von dieser Reise ge-
    habt? Nicht viel, eigentlich nur Ärger. Es kommt mir so
    vor, als würde ich den ganzen Tag meine beiden alten
    Herren vor dieser Stadt beschützen. Aber Reisen ist ei-
    gentlich anders gemeint, ich mache wahrscheinlich et-
    was falsch. Aber was nur? Soll ich die beiden einfach
    sich selbst überlassen? Womöglich wäre das für Anto-
    nio und Benno gar nicht so schlimm. Sie müssten mir
    dann nicht immer wie zwei gepäcklose Sherpas hinter-
    herlaufen. Sie könnten sich mit Pino verabreden und
    mit ihm zum Baseball gehen – und ich endlich in die
    Museen, die mich interessieren.
    Ich wüsste genau, was ich machen würde, wenn ich
    mit Sara hier wäre. Wir würden zum Beispiel ins Kauf-
    haus Bergdorf Goodman gehen, einem Geschäft, in
    dessen Schuhabteilung meine Frau gerne nach ihrem
    Tod mit ihrer Urne einziehen würde, denn wohler fühlt
    sie sich wahrscheinlich nirgendwo auf der Welt. Wir
    würden in Greenwich Village ausgehen und in SoHo,
    den Botanischen Garten in Brooklyn besuchen. Anto-
    nio und mich hält hier nur der familiäre Kitt zusam-
    men. Sonst gäbe es für uns keinen Grund, gemeinsam
    zu reisen. Ich trinke aus und gehe.
    Auf dem Rückweg zum Hotel komme ich an einem
    Deli vorbei, in dem es laut zugeht. Jemand ruft etwas
    auf Italienisch, ein anderer schreit auf Englisch zurück.
    Das mag ich an New York. Diese aufregende Internati-
    onalität. Ich habe schon eine große Bewunderung da-
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    für, wie hier alle Nationen der Welt versuchen, ihren
    Weg zu machen. In diesem Deli zum Beispiel pulsiert
    das Leben, da ist Spannung, metropolische Action. Ich
    sehe durch die Scheibe und erkenne – Antonio.
    Mit einem Satz bin ich im Laden und analysiere die Si-
    tuation. Benno steht vor der Kasse und hat einen Frisch-
    käsebagel in der einen und eine Flasche Bier in der ande-
    ren Hand. Sein Gesicht spiegelt wie immer diese Tiggel-
    kamp’sche Mixtur aus Überparteilichkeit und Neugier
    wider. Antonio hingegen argumentiert gestenreich und
    lautstark mit einem Angestellten des Deli, einem jungen
    Burschen, vermutlich aus Mexiko. Und in diesem Mo-
    ment treffe ich eine Entscheidung, auf die ich für den
    Rest meines Lebens stolz sein werde: Ich drehe mich um
    und gehe wieder hinaus. Antonio hat mich ohnehin
    nicht gesehen. Zunächst noch schuldbewusst, dann
    immer flotteren Schrittes und am Ende beschwingt, lau-
    fe ich ins Hotel, lege mich mit einem letzten Bier aufs
    Bett und zappe durch das Fernsehprogramm.
    In Wisconsin hat ein asiatischer Einwanderer fünf
    Jäger erschossen. Die Männer hatten ihn beim Wildern
    erwischt. Es heißt, er sei ein unauffälliger Bürger ge-
    wesen, und dass es in der Gegend immer wieder mal
    Probleme zwischen neuamerikanischen und urameri-
    kanischen Jägern gebe. In Texas fällt so viel Regen wie
    noch nie, und bei einem Basketballspiel prügelten sich
    die Spieler mit den Zuschauern. Den Haupttäter unter
    den Profis kostet der Spaß nun wegen der Verhängung
    einer gewaltigen Spielsperre fünf Millionen Dollar,
    denn er wird nur bezahlt, wenn er antritt. So ist Ameri-
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    ka: Wenn einer tötet, dann gleich fünfmal; wenn es
    regnet, ist Apokalypse; wenn ein Sportstar prügelt, kos-
    tet es ihn einen schon kindlich-gigantischen Betrag.
    Klein geht nicht, klein ist immer gleich Old Europe.
    Am nächsten Morgen beim Frühstück fällt mir die
    Deli-Sache wieder ein. Ich spreche Antonio darauf an.
    «Toni, alles klar?»
    «Tutto bene, liebe Jung.»
    Von selber wird er mit der Geschichte natürlich nicht
    rausrücken. Ich muss schwindeln, damit ich davon er-
    fahre.
    «Ich habe gestern Abend nochmal bei dir angerufen,
    aber du warst nicht da. Seid ihr noch ausgegangen?»
    «Komisch, habe

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