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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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zu, nicht darauf zu antworten, und sie schluckte zu seiner Erleichterung auch alles herunter, was ihr dazu sichtbar auf der Zunge lag. Graves’ plötzliche Streitlust verwirrte ihn, aber vielleicht war das auch nur seine Art, mit der Nervosität fertig zu werden.
    Davon abgesehen hatte er Recht. Der Luftzug wurde allmählich stärker, und auch der Salzwassergeruch nahm spürbar zu. Sie legten vielleicht noch zwei Dutzend Schritte zurück, bevor Graves wieder langsamer wurde und schließlich stehen blieb.
    »Das Licht«, sagte er. »Löscht eure Lampen.«
    Mogens war nicht wohl dabei, und er sagte es auch. »Und was, wenn diese Bestien irgendwo hier auf uns lauern?«
    »Dann locken wir sie mit unseren Lichtern allerhöchstens an«, antwortete Graves. »Darüber hinaus bin ich davon überzeugt, dass sie im Moment anderweitig beschäftigt sind.«
    »Darf ich auch fragen, womit?«
    »Sicher dürfen Sie das, mein lieber Professor«, antwortete Graves ironisch und löschte seine Laterne.
    Mogens tat es ihm gleich und verbiss es sich, noch einmal nachzuhaken. Irgendwie war ihm Graves beinahe sympathischer gewesen, als er sich noch wortkarg und hochnäsig gegeben hatte. Nachdem auch Tom und Miss Preussler ihre Laternen gelöscht hatten, wurde es für einen Moment dunkel, allerdings wirklich nicht für sehr lange. Schon nach zwei oder drei Sekunden begann Graves’ Gestalt als zerfaserter Schemen wieder vor ihm aus der Dunkelheit aufzutauchen, eingefasst von einem blassgrünen, seltsam unwirklichen Schein. Zögernd ging er weiter und blieb unmittelbar neben Graves wieder stehen. Nur ein paar Schritte vor ihnen gähnte ein kaum meterhoher, aber mehr als zehnmal so breiter Spalt in der Felswand, bei dessen Anblick Mogens unwillkürlich an das grinsende Maul eines Drachen denken musste. In dem mattgrünen Schein dahinter schien sich etwas zu bewegen, aber Mogens konnte nicht sagen, was.
    »Du warst schon einmal hier unten«, vermutete er.
    »Keineswegs«, antwortete Graves. »Aber es ist eine einfache logische Schlussfolgerung, dass es hier unten Licht geben muss. Diese Kreaturen mögen sehr empfindliche Augen haben, aber sie haben Augen. Würden sie in absoluter Dunkelheit leben, bräuchten sie die nicht.«
    Er ging weiter. Unendlich behutsam – und mit einer Bewegung, aus der deutlich mehr Furcht sprach, als ihm vermutlich selbst bewusst war – ließ er sich vor dem Spalt in die Hocke sinken and spähte hindurch. »Alles ruhig«, sagte er. »Ihr könnt kommen.«
    Er wartete ihre Reaktion auch diesmal nicht ab, sondern bückte sich mit einer unerwartet raschen Bewegung unter dem überhängenden Felsen hindurch und richtete sich drüben wieder auf. Die Barriere war nicht besonders dick – weniger als einen halben Meter, schätzte Mogens –, sodass er eigentlich weiter hätte sichtbar bleiben müssen. Seine Gestalt schien sich jedoch in dem blassgrünen Schein auf der anderen Seite einfach aufzulösen, wie die eines Schwimmers, der in ein Becken mit vollkommen veralgtem Wasser tauchte.
    »Jonathan?«, fragte Mogens alarmiert.
    Er bekam keine Antwort, sodass er sich dicht vor dem Spalt in die Hocke sinken ließ und konzentriert hindurchspähte. Er glaubte einen Schatten zu erkennen, war aber nicht sicher.
    »Graves?«, fragte er noch einmal, und jetzt gab er sich gar keine Mühe mehr, den besorgten Ton in seiner Stimme zu unterdrücken.
    Etwas scharrte, und dann hörte er Graves’ halb erstickte, qualvolle Stimme: »Mogens – in Gottes Namen, hilf mir!«
    Mogens bückte sich hastig unter dem Fels hindurch und sprang auf der anderen Seite so hastig wieder auf, dass er sich abermals den Schädel anschlug und die Bewegung nicht zu Ende führte, sondern mit zusammengebissenen Zähnen gleich wieder auf die Knie sank.
    »Ich wusste, dass es funktioniert«, sagte Graves feixend. »In dir steckt eben doch ein guter Kerl.«
    Mogens musste die finsteren Blicke nicht spielen, mit denen er Graves maß, während er aufstand und sich zugleich den schmerzenden Schädel rieb. »Ich spare es mir, dir zu sagen, was in dir steckt, meiner Meinung nach.«
    »Sehr vernünftig«, antwortete Graves. Dann erlosch sein Grinsen wie abgeschaltet. »Pass auf, Mogens. Wir können uns keine Verletzungen leisten.«
    Mogens vergaß alles, was er Graves hatte sagen wollte, als er sich aufrichtete und sein Blick an ihm vorbeifiel.
    Hinter und unter Graves erstrecke sich eine gewaltige Höhle, deren Dimensionen nicht nur seine Vorstellungskraft

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