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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sprengten, sondern auch schlichtweg seine Sinne überforderten. Er war nicht einmal sicher, ob es sich tatsächlich noch um eine Höhle handelte oder nicht vielmehr um etwas, wofür man eigentlich ein eigenes Wort hätte erfinden müssen.
    Der Raum war schlichtweg gigantisch. Der höchste Punkt des gewaltigen, steinernen Firmaments musste sich eine viertel Meile, wenn nicht mehr, über ihren Köpfen befinden, und seine Ausdehnung wagte Mogens nicht einmal zu schätzen. Die Entfernung zwischen hier und dem gegenüberliegenden Ende des gewaltigen Felsendomes betrug sicherlich eine Meile, wenn nicht gar ein Mehrfaches. Und diese riesige, tief unter der Erde gelegene Kammer – aber so tief konnte sie nicht sein, flüsterte eine leise, beruhigende Stimme irgendwo in Mogens’ Hinterkopf; sie waren ein gutes Stück nach unten geklettert, und auch der Schattengang und die anschließende Höhle hatten sie weiter abwärts geführt, aber nicht so weit – war nicht leer.
    Unter ihnen erstreckte sich die bizarrste Stadt, die Mogens jemals gesehen hatte.
    Im allerersten Moment hätte er nicht einmal sagen können, ob es sich tatsächlich um eine Stadt handelte oder um eine willkürliche Ansammlung sonderbar geometrischer Felsformen und -formationen, die sein wissenschaftlicher Verstand nur als eine solche deutete, um wenigstens den Anschein von Ordnung in das unvorstellbare Chaos dort unten zu bringen. Da waren riesige, bizarr verformte Gebilde,die aussahen wie lebende Dinge, die vielleicht einmal hatten Häuser werden wollen, aber auf halbem Wege dorthin zu sonderbar organischer Form erstarrt waren. Es gab Linien und Parallelen, die sich auf vollkommen unmögliche Weise bogen, verzerrten und schnitten, an Stellen endeten, wo sie es nicht hätten tun dürfen, oder sich in Winkeln berührten, die vollkommen unmöglich waren. Ein Großteil dieser bizarren Bauwerke schien zerstört und halb verfallen – auch wenn dies angesichts der absurden Geometrie nur sehr schwer einzuschätzen war –, anderes machte den Eindruck, niemals wirklich zu Ende gebaut worden zu sein. Das Allerschlimmste aber war, dass Mogens trotz aller dieser Fremdartigkeit, trotz der Übelkeit erregenden, nicht-euklidischen Geometrie, die ihr zugrunde lag, etwas auf schreckliche Weise Vertrautes in der Anlage dieser Stadt zu erkennen glaubte.
    »Nun?«, flüsterte Graves neben ihm. »Habe ich dir zu viel versprochen, Mogens?«
    Mogens konnte nicht antworten. Er konnte nicht einmal nicken. Obwohl ihn der Anblick dieser monströsen unterirdischen Stadt so sehr entsetzte wie selten etwas zuvor im Leben, obwohl ihr bloßes Dasein irgendetwas in ihm zu verletzen schien, sodass er sich wie ein getretener Wurm zu krümmen begann und lautlose Schmerzensschreie ausstieß, obwohl dieses grässliche Bild schlicht und einfach seine Menschlichkeit beleidigte, war es ihm zugleich auch unmöglich, sich seiner morbiden Faszination zu entziehen oder auch nur den Blick zu wenden. Er hörte, wie Tom hinter ihm durch den Felsspalt gekrochen kam und erschrocken die Luft ausstieß, als er des unglaublichen Anblicks gewärtig wurde, aber er war nicht imstande, auch nur irgendwie darauf zu reagieren. Das schreckliche Bild brannte sich wie Säure in seine Gedanken, und das Entsetzen, mit dem es ihn erfüllte, begann allmählich die Qualität eines echten, körperlichen Schmerzes anzunehmen und hielt ihn dennoch zugleich mit eiserner Kraft gefangen.
    Erst als Graves ihn am Arm berührte und ihm einen auffordernden Blick zuwarf, schrak er aus seiner Erstarrung hochund drehte sich hastig herum. Hinter ihnen kroch als Letzte nun auch Miss Preussler durch den Spalt im Fels, hatte aber sichtbare Schwierigkeiten, ihre Körpermasse durch die schmale Öffnung zu quetschen. Mogens und Graves taten ihr Möglichstes, um ihr behilflich zu sein, und es gelang ihnen auch, sie ins Freie zu ziehen, ohne dass sie sich mehr als ein paar harmlose Schrammen einhandelte – und vermutlich ein paar nicht ganz so harmlose in ihrem Stolz. Statt sich bei ihnen zu bedanken, schenkte sie jedenfalls zuerst Graves und dann auch Mogens einen vernichtenden Blick, warf mit einem Ruck den Kopf in den Nacken und drehte sich dann abrupt weg.
    »Wenigstens wissen wir jetzt, dass Miss Preussler nicht auf diesem Weg hier herunter gekommen sein kann«, sagte Graves amüsiert.
    Mogens war ziemlich sicher, dass Miss Preussler die Worte gehört hatte – und es auch sollte –, und sie setzte auch sofort zu einer

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