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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Ägypter erschaffen worden sind.«
    »Das ist nicht komisch«, antwortete Graves.
    Es hatte auch nicht komisch sein sollen. Mogens erschrak fast vor seinen eigenen Worten, denn er hatte etwas ausgesprochen, was er ganz und gar nicht hatte aussprechen wollen. »Ich hoffe, es sind nicht die Götter, mit denen du verabredet bist, Jonathan«, sagte er.
    Graves sog hörbar die Luft ein, doch in diesem Moment drang Miss Preusslers Stimme vom oberen Ende der Treppe zu ihnen herab. »Professor? Tom? Ist alles in Ordnung?«
    »Sicher«, antwortete Mogens hastig. »Bleiben Sie oben, Miss Preussler. Die Treppe ist nicht ungefährlich. Tom hat nur einen Kanal entdeckt. Wir kommen sofort wieder hoch.«
    Graves warf ihm einen raschen, dankbaren Blick zu. Wenn auch aus vollkommen unterschiedlichen Gründen, so war ihnen doch beiden ganz und gar nicht daran gelegen, dass Miss Preussler hier herunterkam und das unheimliche Götzenbild sah. Mogens wäre es fast lieber gewesen, hätte auch er es nicht gesehen.
    »Ich frag mich, wohin dieser Kanal führt«, murmelte Tom. Nachdenklich ließ er sich in die Hocke sinken und streckte den linken Arm zum Wasser hinab, während er sich mit der anderen Hand am Rumpf des Bootes festhielt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mogens war nicht wohl, als er das sah, aber er schwieg.
    Tom tauchte die Hand ins Wasser und berührte die Fingerspitzen vorsichtig mit der Zunge, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. Dabei war Mogens noch viel weniger wohl.
    »Salzig«, sagte Tom. »Das ist Salzwasser.« Er wischte sich die Finger an der Hose ab. »Der Kanal muss ’ne Verbindung zum Meer haben.«
    »Hier?«, fragte Mogens zweifelnd. »So weit im Binnenland?«
    »So weit ist es gar nicht«, antwortete Graves. »Luftlinie …« Er überlegte einen Moment. »Vielleicht zwei oder drei Meilen. Kaum mehr.« Mogens’ zweifelnder Blick schien ihm nicht zu entgehen. »Die Straße, die ihr genommen habt, führt ein ganzes Stück an der Küste entlang. Man merkt es nur nicht, weil die Hügel dazwischen liegen.«
    Mogens nahm das so hin – zumal er gar nicht wirklich an Graves’ Aussage gezweifelt hatte. Vielmehr hatte ihn plötzlichder Schatten einer Erinnerung gestreift, die irgendetwas mit dem Meer zu tun hatte, ihm aber wieder entglitt, bevor sie wirklich Gestalt annehmen konnte. Es war keine angenehme Erinnerung gewesen – aber alles andere hätte ihn auch überrascht. Seit sie vor anderthalb Stunden die Leiter heruntergestiegen waren, schienen sie einen Teil der Welt betreten zu haben, in dem nichts Angenehmes oder Beruhigendes mehr Bestand haben konnte.
    »Was ist das da im Wasser?« Graves deutete auf die fast reglos daliegende schwarze Oberfläche des Kanals hinter dem Boot. Etwas schwamm auf der Wasseroberfläche und zum Teil wohl auch ein Stück darunter; ein dünnes Geflecht, wie schwarzer Seetang oder Büschel aus dünnen Haaren, die sich in der Strömung bewegten. Tom wollte sich abermals vorbeugen, um danach zu greifen, doch Graves hielt ihn mit einer abermaligen, unwilligen Geste zurück. »Seetang«, wiederholte er. »Wie ich gesagt habe: Der Kanal muss eine Verbindung zum Meer hin haben. Komm – wir wollen die gute Miss Preussler nicht länger als nötig warten lassen.«
    Ohne Mogens’ Antwort abzuwarten, ging er mit raschen Schritten zur Treppe zurück. Mogens warf noch einen allerletzten, unsicheren Blick auf die monströse Gestalt auf dem Deckel des Sarkophags. Ein Teil von ihm war noch immer von dem bloßen Anblick zu Tode erschreckt, aber da war auch noch ein anderer, auf eine schon fast obszön morbide Weise faszinierter Teil, der sich fragte, was er wohl erblicken würde, wenn sie den Deckel der schwarzen Truhe anhoben. Er sah schwer aus, aber nicht so schwer, dass Tom, Graves und er ihn nicht mit gemeinsamen Kräften bewältigen könnten.
    Fast entsetzt verscheuchte er den Gedanken und beeilte sich, zu Graves aufzuschließen.
    Miss Preussler wartete voller Ungeduld am oberen Ende des Treppenschachtes. Schon der Ausdruck auf ihrem Gesicht machte Mogens klar, was sie von seiner Behauptung hielt, dort unten gäbe es absolut nichts Außergewöhnliches zu sehen, doch obwohl Graves etliche Sekunden vor ihm hier oben angekommen war, hatte sie ihn bisher nicht einmaleines Blickes gewürdigt. Wenn sich Miss Preussler einmal zu etwas entschlossen hatte, dann blieb sie diesem Entschluss im Allgemeinen auch treu.
    »Also?«, fragte sie.
    »Wasser«, antwortete Mogens. »Tom hat einen

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