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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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von Nutzen sein.«
    Anscheinend war Graves viel zu überrascht von seinem plötzlichen, ungewohnt energischen Ton, um noch einmal zu widersprechen. Er schenkte ihm jedenfalls nur einen verwunderten Blick, dann zuckte er trotzig mit den Schultern und drehte sich demonstrativ weg, um zu tun, wozu Mogens ihn aufgefordert hatte.
    Mogens bedauerte seine Worte inzwischen schon wieder. Es war gut möglich, dass er den Mund ein wenig zu voll genommen hatte – eine oberflächliche Ähnlichkeit konnte man auch feststellen, wenn man einen in Englisch geschriebenen Text mit einer Seite aus einem portugiesischen Buch verglich. Die Buchstaben sahen gleich aus, selbst manche Wörter ähnelten sich. Und doch hatten sie sehr wenig miteinander zu tun. Jemand, der eine Übersetzung von der einen in die andere Sprache anfertigen wollte, ohne sie beide zu kennen, musste zwangsläufig scheitern. Doch auch wenn es anders war – er war gar nicht sicher, ob er den Text, der auf dieser Wand niedergeschrieben stand, überhaupt verstehen wollte .
    Wenn er ehrlich war, dann wollte er ja noch nicht einmal hier sein.
    Und trotzdem begann ihn die Aufgabe schon nach wenigen Sekunden in ihren Bann zu ziehen. Es war so, wie er befürchtet hatte – er glaubte manches zu verstehen, aber es ergab keinerlei Zusammenhang, und er musste seine Meinung immer wieder revidieren und von vorne beginnen. Und doch: Nach und nach ergab das Gelesene einen Sinn. Zumindest war da etwas wie eine Ahnung, ein noch schwacher Schemen des großen Zusammenhanges, der sich hinter diesen unverständlichen Wörtern und Symbolen verbarg, und je länger Mogens sich darauf konzentrierte, desto intensiver wurde das unheimliche Gefühl, dass er ihn nur nicht wirklich verstand, weil etwas in ihm vor der Bedeutung dessen, was da vor ihm lag, zurückschreckte.
    Nach einer geraumen Weile gab er auf. Möglich, dass die Aufgabe einfach nicht zu lösen war oder er einfach zu viel in zu kurzer Zeit von sich selbst erwartete. »Es hat keinen Zweck«, sagte er resignierend.
    »Und das weißt du nach ein paar Minuten?«, fragte Graves spöttisch. »Sagtest du nicht, es werde Monate brauchen, um auch nur eine erste, vorsichtige Einschätzung abgeben zu können?«
    »Dabei bleibe ich auch«, antwortete Mogens. »Aus diesem Grund kann ich dir auch nach ein paar Minuten nichts sagen.« Er hob fast trotzig die Schultern. »Manches davon kommt mir bekannt vor. Aber es ergibt keinen Sinn.« Graves starrte ihn weiter feindselig-herausfordernd an, und obwohl Mogens spürte, dass es ein Fehler war, fühlte er sich dennoch zu einer weiter gehenden Erklärung genötigt. Fast widerwillig hob er die Hand und deutete nacheinander auf einige der Symbole und Kartuschen. »Dieses Symbol hier zum Beispiel könnte das altägyptische Wort für Herrscher bedeuten oder auch König . Das gleich daneben könnte man mit dem Wort Ernte übersetzen, es könnte aber auch genauso gut für eine Durchfallerkrankung stehen, die im alten Ägypten weit verbreitet war. Das hier wiederum bedeutet Wasser , möglicherweise aber auch Straße oder Leben . Das alles ergibt überhaupt keinen Sinn. Vielleicht ist es ein Gedicht, möglicherweise eine Warnung, oder auch nur die Straßennamen, falls das hier wirklich eine Karte ist.«
    »Möglicherweise fehlt dir auch nur ein wenig Zeit und Muße«, antwortete Graves in unerwartet verständnisvollem Ton, »oder einfach mehr Text, um ihn mit deinen Erinnerungen zu vergleichen. Vielleicht tröstet es dich zu hören, dass wenigstens Tom und ich Erfolg hatten. Ich bin jetzt sicher, dass es sich tatsächlich um eine Karte handelt.« Plötzlich lächelte er sogar. »Wir sind nicht mehr sehr weit von unserem Ziel entfernt.«

Sie verließen das Gebäude auf demselben Weg, auf dem sie es betreten hatten, wandten sich dann aber nach links und folgten den sonderbar organisch wirkenden Wänden ein gutes Dutzend Schritte weit, ehe sich plötzlich ein schmaler Spalt vor ihnen auftat, in dem Graves ohne zu zögern verschwand – und das im wörtlichen Sinne: Die Dunkelheit verschlang ihn, als hätte er eine unsichtbare Barriere durchschritten, und als Mogens all seinen Mut zusammennahm und ihm folgte, erlebte er eine weitere, unheimliche Überraschung: Der Spalt, durch den er sich blind tastete, war nicht nur absolut dunkel, sondern auch kalt wie die Hölle. Es waren nur wenige Schritte, aber seine Haut brannte wie Feuer, als er auf der anderen Seite heraustrat, und seine Kleider waren bretthart

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