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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Kanal entdeckt.« Er kam jeder entsprechenden Frage mit einem Kopfschütteln zuvor. »Aber es ist kein Trinkwasser.«
    »Was tun wir dann noch hier?«, fragte sie.
    Graves hinderte Mogens mit einer unwilligen Geste daran zu antworten. »Lass uns diese Bilder noch einmal betrachten«, sagte er. »Mir ist da etwas aufgefallen. Komm.« Er ging eilig voraus, ließ seinen Blick ungeduldig, fast hektisch zweimal über die große, bemalte Wand gleiten und deutete dann mit dem Zeigefinger auf eine bestimmte Stelle im unteren Drittel des verwirrenden Gemäldes. »Dort. Siehst du?«
    Tatsächlich sah Mogens beinahe sofort, was er meinte. Der Ausschnitt des Bildes, auf den Graves ihn aufmerksam machte, war ihm vorher in der Gesamtheit dieses unheimliche Kunstwerkes gar nicht aufgefallen, jetzt jedoch sprang er ihm regelrecht ins Auge. Zwar grob und fast bis an die Grenzen des Unkenntlichen stilisiert, nun aber dennoch deutlich zu erkennen, hatte der unbekannte Künstler dort einen Kanal gemalt, auf dem eine Totenbarke schwamm. In einer vollkommen falschen Perspektive darüber war auch der Raum zu erkennen, in dem sie selbst sich befanden. Mogens hatte für einen winzigen Moment das schreckliche Gefühl, sogar vier kleine Gestalten auszumachen, die vor einer bemalten Wand standen, auf der ein Bild mit einer winzig keinen Totenbarke und vier noch kleineren Gestalten zu sehen war, die vor einer bunt bemalten Wand standen, auf der … Aber natürlich war es nur Einbildung. Im allerersten Moment hätte Mogens fast über den Streich gelacht, den ihm seine eigene Fantasie spielte, aber schon im zweiten bereitete ihm dieser Umstand deutlich Sorge. Er musste aufpassen, sich am Ende nicht selbst als die größte Gefahr zu erweisen, die ihm drohte.
    »Das könnte so etwas wie eine Karte sein«, sagte Graves, wobei er Mogens mit einem Blick bedachte, aus dem man deutlich herauslesen konnte, dass er diese Schlussfolgerung eigentlich von ihm erwartet hätte.
    »Möglich«, antwortete Mogens. Graves wirkte noch verärgerter, und Mogens musste ihm im Stillen Recht geben. Jetzt, einmal darauf aufmerksam geworden und mit einem Bezugspunkt, an dem sie sich orientieren konnten, gab es eigentlich gar keinen Zweifel mehr an der Richtigkeit von Graves’ Schlussfolgerung. Nachdem er den Weg zurückverfolgt und sich an die Topografie dieser Karte, die vollkommen fremden Gesetzen zu gehorchen schien, gewöhnt hatte, erkannte er sogar etliche der Gebäude und Straßen wieder, an denen sie vorbeigekommen waren – wenn man sie denn so nennen wollte.
    Und ihm fiel noch etwas auf. Am Anfang war es nur der Verdacht, kaum mehr als ein vages Gefühl, das umso unschärfer wurde, je angestrengter er versuchte, es klar zu erfassen, doch es war wie mit dem Bild selbst: Je länger er hinsah, desto mehr vertraute Symbole und Zeichen meinte er zu erkennen. Noch weigerten sie sich, irgendeinen Sinn zu ergeben, aber er war plötzlich sicher, dass sie es tun würden, wenn er nur ein wenig Zeit hätte, sie zu studieren.
    »Hast du etwas entdeckt?«, fragte Graves. Er war und blieb ein guter Beobachter, wie sich Mogens missmutig eingestehen musste. Er nickte, machte aber auch gleich darauf eine Bewegung, die eine eher unentschlossene Geste daraus werden ließ.
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte er ausweichend. »Aber möglicherweise kann ich doch einige dieser Hieroglyphen entziffern.«
    »Worauf wartest du dann noch?«
    »So einfach ist das nicht«, antwortete Mogens. Graves wollte auffahren, doch diesmal fuhr Mogens in einen Ton sachlicher Bestimmtheit fort, der keinen Widerspruch duldete. »Das hier ist nicht einfach irgendein alter Dialekt, den man eben einmal übersetzen kann. Ich bin nicht einmalsicher, ob ich mich nicht irre. Es gibt eine gewisse Ähnlichkeit zur Hieroglyphenschrift der Ägypter, aber das muss nichts bedeuten. Und selbst die Hieroglyphen sind bisher nur zu einem kleinen Teil entziffert.«
    »Und was willst du mir damit sagen, Mogens?«, fragte Graves.
    »Unter normalen Umständen würde ich Monate brauchen, bevor ich auch nur eine erste, vorsichtige Prognose abgeben könnte.«
    »Leider Gottes sind die Umstände nicht normal«, sagte Graves.
    »Eben«, versetzte Mogens. »Insofern ist es wahrscheinlich nicht zu viel verlangt, wenn ich einige wenige Minuten von dir erwarte.« Er machte einen ungeduldige, wedelnde Handbewegung. »Warum studieren Tom und du nicht ein wenig die Karte? Wenn es sich tatsächlich um eine solche handelt, könnte sie

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