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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sich wie ein versteinertes Schneckenhaus um sich selbst drehte und deren Stufen allesamt unterschiedlich hoch und breit waren, tat seinem Gleichgewichtssinn offensichtlich nicht besonders wohl.
    Die verpestete Luft hier unten einzuatmen anscheinend auch nicht. Der Gestank, eine Mischung aus faulem Wasser, menschlichen und tierischen Ausscheidungen, Moder und einem durchdringenden Raubtiergeruch, nahm ihm fast den Atem, und er begann ein Gefühl leiser Übelkeit in seinem Magen zu spüren, das sich nicht so anfühlte, als würde es besser werden.
    »Dort vorne«, sagte Miss Preussler. »Ich erinnere mich jetzt wieder. Es ist nicht mehr weit!«
    Hieß das, dass sie sich vorher nicht erinnert hatte, dachte Mogens fast hysterisch, und auf gut Glück vorausgegangen war?
    Er stellte die Frage vorsichtshalber nicht laut.
    Jedwede Ähnlichkeit mit einem von Menschen oder auch nur irgendeinem anderen vernunftbegabten Wesen erschaffenen Bauwerk löste sich auf, als sie weitergingen. Die Treppe hatte sie in nichts anderes als ein offenbar willkürlich entstandenes Höhlenlabyrinth hinabgeführt. Zu dem grässlichen Gestank, der mit jedem Schritt schlimmer zu werden schien, gesellte sich nun auch noch ein wahres Konzert kaum minder unangenehmer und unheimlicher Geräusche: ein schweres und rhythmisches Gluckern und Klatschen, das sich nicht wirklich wie das Geräusch von Wasser anhörte, sondern das einer viel zäheren, klebrigen Flüssigkeit; ein hohles, wisperndes Heulen und Wehklagen, das sich beharrlich weigerte, sich Mogens’ Erklärung zu beugen, es wäre nur das Geräusch von Wind, der sich an Graten und Unebenheiten brach; dann und wann ein Kollern wie von einem Stein, der von der Decke gestürzt – oder von einem krallenbewehrten Fuß angestoßen worden – war; und manchmal etwas wie ein dumpfes Stöhnen. Und auch die leuchtenden Flecke auf den Wänden waren wieder da: Bakterien, Pilze, Sporen oder mikroskopisch kleine, leuchtende Organismen, möglicherweise aber auch etwas, das so weit von Mogens’ fast verzweifelt zusammengebastelter Erklärung entfernt war, wie es nur ging.
    Miss Preussler ließ sich von alledem jedoch nicht im Geringsten irritieren, ja, ihre Schritte schienen ganz im Gegenteil eher an Festigkeit zuzunehmen. Mit einer Entschlossenheit, von der Mogens sich zwang, zu glauben, sie beruhe auf sicherem Wissen und nicht etwa nur auf dem Vertrauen in ihr Glück, eilte sie voraus und durchquerte mehrere unterschiedlich große, verschieden geformte Höhlen und Passagen, bevor sie plötzlich stehen blieb und fast erschrocken in seine Richtung gestikulierte, ebenfalls anzuhalten.
    »Still!«, flüsterte sie. Gleichzeitig setzte sie ihre Lampe zu Boden und drehte an dem kleinen Rädchen, das den Dochtzum Erlöschen brachte. Mogens tat rasch und mit einem unguten Gefühl dasselbe, doch es wurde nicht so dunkel, wie er befürchtet hatte. Zwar brauchten ihre Augen auch jetzt wieder einige Sekunden, um sich von dem fast schattenlosen weißen Licht der Karbidlampen wieder an den milden, alle Umrisse auflösenden grünen Schein zu gewöhnen, dann aber konnte er beinahe besser sehen als zuvor.
    »Dort drüben«, fuhr Miss Preussler, immer noch im Flüsterton, fort. »Ich glaube, das ist der Raum, in dem ich gewesen bin.«
    Ein einzelnes Wort in diesem Satz gefiel Mogens ganz und gar nicht, aber er ersparte es sich auch jetzt, seine Zweifel an ihren Qualitäten als Führerin in Worte zu kleiden. Es war ohnehin zu spät. Mit einem wortlosen Nicken forderte er sie auf, weiterzugehen.
    Miss Preussler duckte sich unter einem weiteren Felsvorsprung hindurch und erstarrte dann mitten in der Bewegung. Mogens konnte sehen, wie sie die Hand vor den Mund schlug, um einen Schrei zu unterdrücken, und war mit einem einzigen Satz neben ihr.
    Um ein Haar hätte er selbst aufgeschrien, als er sah, worüber Miss Preussler beinahe gestolpert wäre.
    Es war ein Ghoul. Das Geschöpf kauerte in sonderbar geduckter, vorgebeugter Haltung auf dem Boden, den Kopf mit den spitzen Ohren und der langen Schakalschnauze gesenkt und beide Arme weit nach vorne gestreckt. Der Anblick erinnerte Mogens an die Haltung, in der die meisten Muselmanen zu beten pflegten, nur, dass dieses Geschöpf ganz gewiss nicht niedergekniet war, um zu beten. Das grüne Licht, das sich in den weit offen stehenden, starren Augen der Kreatur spiegelte, verlieh ihr etwas durch und durch Unmenschliches.
    »Um Himmels willen, Professor, seien Sie vorsichtig«,

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