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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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so schnell.«
    »Das … ist kein Wasser«, krächzte Mogens. Wenigstens seine Stimme gehorchte ihm wieder.
    »Natürlich nicht«, antwortete Miss Preussler. »Allerbester Kentucky-Whiskey, garantiert zwölf Jahre alt – und damit fast so alt wie ich«, fügte sie augenzwinkernd hinzu. Aber das spöttische Lächeln verschwand fast ebenso schnell wieder aus ihren Augen, wie es darin erschienen war. »Geht es wieder?«
    Mogens versuchte zu antworten und brachte diesmal immerhin ein nicht mehr ganz so qualvolles Husten an Stelle eines halb erstickten Krächzens zustande. Von einem gelegentlichen Gläschen Portwein einmal abgesehen – und selbst das nur ganz selten und zu ausgesuchten Gelegenheiten – trank er niemals Alkohol, ja, verabscheute ihn geradezu. Aber er musste eingestehen, dass das warme Gefühl, das sich rasch in seinem Magen ausbreitete, durchaus angenehm war. Und obwohl seine Kehle brannte, als hätte er versehentlich mit verdünnter Säure gegurgelt, schien der Schmerz zugleich aber den Krampf gelöst zu haben, der seine Stimmbänder befallen hatte. »Ja«, brachte er mühsam hervor. Miss Preussler sah ihn noch einen weiteren Moment lang unübersehbar zweifelnd an, dann aber zuckte sie mit den Schultern, setzte die Reiseflasche selbst an die Lippen und nahm einen Schluck, der deutlich größer war als der, den Mogens gerade getrunken hatte.
    »Was ist passiert?«, murmelte er. »Ich … Es tut mir wirklich Leid. Ich weiß auch nicht … ich meine … bitte entschuldigen Sie, dass …«
    »Sie sollten sich vielleicht einmal entscheiden, ob Sie sich nicht erinnern können oder ob das, woran Sie sich nicht erinnern können, Ihnen nun peinlich ist«, sagte Miss Preussler mit sanftem Spott, während sie die Flasche sorgsam wieder zuschraubte und in einer Falte ihres Kleides verschwinden ließ, wo anscheinend eine Tasche verborgen war. So spöttisch ihre Stimme klang, so ernst war der Blick, mit dem sie ihn währenddessen maß.
    Statt irgendetwas darauf zu erwidern, setzte sich Mogens weiter auf und drehte den Kopf. Sie waren nicht allein. Nur ein paar Schritte entfernt kauerte eine zitternde Gestalt vor der Wand. Sie hatte die Knie an den Leib gezogen und saß beinahe in der gleichen Haltung da, in der er gerade noch auf dem Boden gelegen hatte, hatte aber die Arme gehoben und die Hände schützend über dem Kopf zusammengefaltet. Was er von ihrem Gesicht erkennen konnte, war hinter einem Vorhang aus strähnigem, schmutzstarrendem schwarzem Haar verborgen, aber er konnte die Furcht in ihrem Blick fast körperlich fühlen, obwohl er ihre Augen nicht einmal wirklich erkennen konnte.
    Langsam, um sie nicht durch eine hastige Bewegung noch mehr zu ängstigen, stand er auf, ging zu der jungen Frau hinüber und ließ sich einen halben Schritt vor ihr wieder in die Hocke sinken. Unendlich behutsam streckte er die Hand aus, ergriff ihren Arm und drückte ihn mit sanfter Gewalt nach unten. Die junge Frau versuchte erschrocken, noch weiter vor ihm zurückzuweichen, was aber nicht möglich war, weil sie sich bereits mit aller Kraft gegen die raue Felswand presste, und zog stattdessen die Knie noch weiter an den Leib. Sie zitterte heftig. Ihre Augen waren schwarz vor Angst.
    Es waren nicht Janices Augen. So wenig, wie ihr Gesicht das von Janice war. Sie hatte nicht einmal Ähnlichkeit mit ihr. Sie war viel zu jung – nicht einmal ganz in dem Alter, in dem Janice gewesen war, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, dabei aber so abgemagert und ausgezehrt, dass sie fast wie eine Greisin wirkte –, und soweit er ihr Gesicht unter all dem Schmutz, Schorf und Grind überhaupt erkennen konnte, schienen ihre Züge leicht asiatischen Einschlag zu haben. Ihre Lippen waren aufgeplatzt und entzündet, und Mogens sah, dass ihr nahezu alle Zähne im Unterkiefer fehlten. Da dasKleid, das sie trug, praktisch nur noch aus Fetzen bestand, konnte er sehen, dass sich auch der Rest ihres Körpers in einem ebenso bemitleidenswerten Zustand befand. Die junge Frau war nicht nur halb verhungert, sondern ganz offensichtlich auch schwer misshandelt worden, und das über längere Zeit.
    »Verstehen Sie mich?«, fragte er. Er hatte nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet, doch er bekam eine Reaktion, auch wenn sie ihm schier den Atem abschnürte. Die junge Frau begann noch heftiger zu zittern. Abermals versuchte sie, vor ihm zurückzuweichen, und die Angst in ihrem Blick wurde zu etwas, das sich wie ein glühender Dolch in

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