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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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flüsterte Miss Preussler, als Mogens sich behutsam der knienden Kreatur näherte. Mogens deutete zwar ein Nicken an, bewegte sich aber dennoch weiter und ließ sich dicht neben dem Ghoul in die Hocke sinken. Sein Herz klopfte vor Furcht, und seine Hände zitterten so heftig, dass er sie unbewusst zu Fäusten ballte, und dennoch spürte er instinktiv, dass von der Kreatur keine Gefahr ausging; jedenfalls nicht im Moment.
    »Ist es … tot?«, flüsterte Miss Preussler.
    »Nein«, antwortete Mogens. »Aber irgendetwas …« Er zuckte fast hilflos mit den Schultern und streckte die Hand nach der struppigen Schulter des Geschöpfes aus, wagte es aber doch nicht, sie zu berühren. »Ich weiß es nicht«, gestand er schließlich. »Er scheint zu schlafen – aber ich bin nicht sicher.« Eigentlich stimmte das nicht. Er war ziemlich sicher, dass die Kreatur nicht schlief, sondern in eine Starre verfallen war. Seine Augen waren weit geöffnet und blinzelten dann und wann, und Mogens meinte sogar ganz leise sein schweres, rasselndes Atmen zu hören. Dennoch war er beinahe sicher, die Kreatur getrost anfassen, ja, sogar umstoßen zu können, ohne dass sie erwacht wäre.
    Sein wissenschaftlicher Ehrgeiz ging jedoch nicht so weit, diesen Verdacht experimentell zu überprüfen. Er stand auf.
    »Vielleicht hat Graves ja Recht, und sie schlafen alle«, sagte er. »Kommen Sie. Und vorsichtig.«
    Seine Warnung war höchst überflüssig. Miss Preussler ging in so weitem Bogen um die reglose Kreatur herum, wie es überhaupt nur möglich war, und Mogens meinte sogar zu sehen, dass sie die Luft anhielt, während sie an dem schlafenden Ghoul vorbeischlich.
    Diese erste, schlafende Kreatur blieb nicht die einzige. Sie stießen auf immer mehr reglose, allesamt in derselben, wie betend anmutenden Haltung erstarrten Ghoule, je tiefer sie in das unterirdische Labyrinth vordrangen. Mogens blieb noch zwei- oder dreimal stehen, um einen Blick auf eines der schlafenden Geschöpfe zu werfen, wagte es aber trotz allem nicht, sie zu berühren. Ihm fiel auf, dass sie allesamt in die gleiche Richtung blickten. Aber das mochte Zufall sein.
    »Das ist unheimlich«, flüsterte Miss Preussler. »Mir wäre fast wohler, wenn sie noch wach wären.«
    Mogens nicht. Er setzte gerade zu einer entsprechenden Antwort an, als hinter ihm ein halblautes, klagendes Geräusch erscholl; fast wie ein Stöhnen.
    Mogens fuhr alarmiert herum –
    – und sein Herz hörte auf zu schlagen.
    Er hatte sich nicht getäuscht. Es war ein Stöhnen gewesen. Vor ihnen bewegte sich eine schemenhafte, blasse Gestalt, die sich in der flackernden blassgrünen Helligkeit nahezu aufzulösen schien. Dennoch erkannte Mogens, dass es sich um eine Frau handelte. Sie war in zerschlissene Lumpen gehüllt und starrte vor Dreck, und ihr Haar hing in langen, verfilzten Strähnen bis weit in ihr Gesicht.
    Trotzdem erkannte Mogens sie sofort.
    Es war Janice.

Mogens erwachte auf der Seite liegend, am ganzen Leib zitternd und in fötaler Haltung zusammengekrümmt. Sein Herz pochte, und das Allererste, mit dem sich sein Körpergefühl zurückmeldete, war ein schrecklicher Durst. Sein Hals schmerzte, und als er versuchte, die Augen zu öffnen, gelang es ihm nicht auf Anhieb. Dann, mit der gleichen, nahezu explosiven Plötzlichkeit, mit der er die Kontrolle über seinen Körper und seine Sinne verloren hatte, kehrte beides zurück.
    »Bleiben Sie liegen, Professor.«
    Mindestens sein Erinnerungsvermögen schien noch nicht vollkommen zurückgekehrt zu sein, denn im allerersten Moment kam ihm die Stimme vollkommen fremd vor. Dann – und erst einen Sekundenbruchteil, nachdem er die Augen geöffnet und in ihr Gesicht geblickt hatte – erkannte er sie.
    »Alles wieder in Ordnung?«, fragte Miss Preussler.
    Mogens wollte antworten, aber seine Stimme versagte ihm den Dienst. Sein Hals schmerzte immer noch heftig. Alles, war er zustande brachte, war ein hilfloses Krächzen.
    »Einen Moment.« Miss Preussler verschwand für einen Herzschlag aus seinem Gesichtsfeld, kam zurück und setzte eine flache Metallflasche an seine Lippen. Mogens schluckte ganz automatisch und rang im nächsten Moment hustend undfast verzweifelt japsend nach Luft. Was er für Wasser gehalten hatte, war keins.
    »Nicht so hastig«, sagte Miss Preussler und zog die Flasche zurück. Mogens konnte sich täuschen, aber er meinte einen ganz leisen Unterton von Schadenfreude in ihrer Stimme zu hören. »Sie bekommen noch mehr, aber nicht

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