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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ihnen. Noch ein paar Augenblicke, dachte Mogens, und selbst das starke Licht der beiden Scheinwerfer würde es nicht mehr erreichen.
    Miss Preusslers Überlegungen schienen wohl in eine ähnliche Richtung zu gehen, denn sie setzte dazu an, sich hochzustemmen und ihre Verfolgung fortzusetzen, aber diesmal ergriff Mogens sie am Arm und hielt sie fest. »Wollen Sie sich umbringen?«, fragte er.
    »Aber …«
    »Kein Aber!«, schnitt ihr Mogens das Wort ab. Miss Preussler, die einen solchen Ton noch niemals zuvor von ihm gehört hatte, riss ungläubig die Augen auf und starrte ihn verdattert an, und Mogens fuhr, vielleicht eine Spur leiser, doch keinen Deut weniger entschieden, fort: »Wir müssen hier weg! Die Höhle kann jeden Moment einstürzen, begreifen Sie das nicht?«
    Mogens war fast erleichtert, nun endlich doch so etwas wie Schrecken in ihren Augen zu erkennen. Einen Atemzug lang starrte sie ihn noch zweifelnd und fragend an, dann warf sie mit einem Ruck den Kopf in den Nacken und richtete auch ihren Scheinwerferstrahl auf die Decke.
    Mogens wünschte sich fast, sie hätte es nicht getan. Seine Einschätzung, was die Standfestigkeit dieses unterirdischen Saales anging, war wohl eher zu optimistisch gewesen. Die ehemals prachtvoll bemalte Decke über ihnen hing tatsächlich durch wie ein nasses Segeltuch, und an zahllosen Stellen rieselte Staub herab. Nur ein einzelner, sonderbar gestaucht wirkender Stützpfeiler in ihrer unmittelbaren Nähe schien sie noch davon abzuhalten, endgültig herunterzustürzen, und wie es um dessen Standfestigkeit bestellt war, darüber wagte Mogens nicht einmal nachzudenken. Er überlegte fast panisch, wie lange der letzte Erdstoß zurücklag. Sicherlich nicht mehr als fünf oder sechs Minuten. Zwischen ihm und dem vorhergehenden Beben war deutlich mehr Zeit verstrichen, und zwischen diesem und denen davor noch einmal sehr viel mehr. Natürlich gab es keinen Beweis dafür, dass es überhaupt nochzu einer weiteren Erschütterung kommen würde, aber wenn die Beben aufeinander folgten, taten sie es offensichtlich in kürzer werdenden Abständen. Wenn die Erde noch einmal bebte, dann konnte dies buchstäblich jeden Augenblick geschehen, und wenn das passierte, denn würde diese ganze Halle wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen.
    »Aber wir können sie doch nicht einfach …«, begann Miss Preussler.
    »Was?«, fiel ihr Mogens ins Wort. Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Glauben Sie mir, Miss Preussler – ich will dieses arme Geschöpf genauso wenig im Stich lassen wie Sie. Aber wir müssen hier weg. Und wir holen es ja nicht einmal mehr ein.«
    Tatsächlich war das Geräusch der Schritte mittlerweile fast vollkommen verstummt, und als Mogens seinen Scheinwerferstrahl wieder in die Richtung lenkte, in die sich das Mädchen entfernt hatte, riss er nichts anderes als ein Durcheinander aus Trümmerstücken und tanzendem Staub aus der Dunkelheit. »Wollen Sie wirklich dort hinein?«, fragte er.
    Miss Preussler schwieg. In ihrem Gesicht arbeitete es, und Mogens kam sich auf eine absurde Art feige und fast wie ein Verräter vor; weniger an dieser unbekannten jungen Frau, für die sie aller Wahrscheinlichkeit nach so oder so nicht mehr viel tun konnten, sondern vielmehr an Miss Preussler, die auf seine Hilfe und Unterstützung vertraut hatte, und an sich selbst.
    Dennoch sagte er nach einigen weiteren Sekunden leise, diesmal fast sanft: »Miss Preussler … Betty … bitte. Wir müssen weg hier. Schnell.«
    »Ja«, flüsterte sie. Täuschte sich Mogens, oder schimmerten ihre Augen plötzlich feucht? »Sie haben Recht, Professor.«
    Mogens atmete erleichtert auf, und noch bevor er es ganz getan hatte, drang ein gellender, lang anhaltender Schrei aus der Dunkelheit vor ihnen.
    Miss Preussler sprang so schnell auf, dass schon ihre eigene Bewegung sie wieder von den Füßen riss und sie hart auf dieKnie fiel. Sofort war sie jedoch wieder auf den Füßen und stürmte, ihre Laterne hektisch hin und her schwenkend, wie um die bedrohliche Dunkelheit vor sich mit einer glühenden Schwertklinge aus Licht zu zerteilen, voran. Mogens war eine Sekunde lang so entsetzt, dass er nichts anderes tun konnte als dazuhocken und ihr nachzustarren. Dann aber sprang er hastig auf die Beine und rannte hinter ihr her.
    Obwohl auch er jetzt keinerlei Rücksicht mehr nahm, fiel er immer rascher hinter Miss Preussler zurück. Mogens versuchte noch schneller auszugreifen, erreichte damit aber nicht mehr, als

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