Anubis - Roman
heb Sie hoch.«
»Bist du verrückt?«, entfuhr es Miss Preussler.
»Verdammt noch mal, tun Sie endlich, was er Ihnen sagt!«, polterte Graves.
Vielleicht war es sein befehlender Ton, der sie so perplex machte, dass sie ganz automatisch gehorchte, vielleicht gewann im letzten Augenblick doch noch die schiere Todesangst die Überhand – Miss Preussler hob jedenfalls den Saumihres Kleides, setzte mit sichtlicher Anstrengung den rechten Fuß in Toms zusammengefaltete Hände und wuchtete sich schnaubend in die Höhe. Tom ächzte, ging deutlich in die Knie und begann nach vorne zu kippen, und auch Miss Preussler selbst drohte für einen Moment das Gleichgewicht zu verlieren. Sie begann wild mit den Armen in der Luft zu rudern, womit sie natürlich alles nur noch schlimmer machte, und Mogens sprang, ohne nachzudenken, vor und stieß ihr die flachen Hände gegen den Rücken. Im allerersten Moment war er nicht nur überzeugt davon, dass auch dieser Versuch zum Scheitern verurteilt war, sondern auch, dass Miss Preussler in der nächsten Sekunde mit der Wucht eines umstürzenden Baumes auf ihn fallen und ihn einfach erschlagen würde. Aber das Wunder geschah: Miss Preussler fiel nicht, sondern prallte mit ausgebreiteten Armen gegen die Wand, und ihre tastenden Finger mussten wohl irgendwo Halt gefunden haben. Tom ächzte und brach um einige weitere Zentimeter in die Knie, als sie nunmehr auch das andere Bein hob und den Fuß auf seine Schulter setzte, und Mogens fühlte sich so überrumpelt und hilflos, dass er sie um ein Haar losgelassen hätte, als sie sich schnaubend weiter in die Höhe wuchtete und seine Handflächen nun nicht mehr gegen ihren Rücken, sondern gegen ihr beeindruckendes Gesäß drückten. Hätte er nachgegeben, so wäre sie mit Sicherheit gestürzt, sodass er nicht losließ, sondern nur – vergebens – nach irgendeiner Haltung tastete, die für sie beide etwas weniger peinlich war, und über ihnen warf sich Graves etwas weiter vor und streckte die schwarzen behandschuhten Hände nach ihr aus.
»Ihre Arme!«, keuchte er. »Strecken Sie die Hände aus!«
Miss Preusslers Hände glitten mit scharrenden Geräuschen über den rauen Fels, als sie die Arme hob, aber dann zögerte sie, und Mogens spürte ganz sicher, dass sie die Überwindung beinahe nicht aufgebracht hätte, Graves’ schreckliche Hände zu berühren.
Letztendlich tat sie es doch, und Graves packte mit festem Griff ihre Handgelenke und begann zu ziehen. »Helfen Sie mit!«, keuchte er. »Tom! Mogens! Schiebt!«
Mogens mobilisierte noch einmal all seine Kräfte, und Tom brachte irgendwie das Kunststück fertig, sich herumzudrehen und seine Hände unter Miss Preusslers Fersen zu schieben, um sie stöhnend und mit hochrotem Gesicht, wie ein Gewichtheber, der sich entschieden zu viel zugemutet hatte, weiter nach oben zu stemmen. Hinterher kam es Mogens selbst wie ein – alles andere als kleines – Wunder vor, aber sie schafften es. Graves zog, Tom und er drückten und schoben, während Miss Preussler alles in ihrer Macht Stehende zu tun schien, um sie nach Kräften zu behindern, doch plötzlich war ihr Gewicht verschwunden. Mogens taumelte mit einem erleichterten Keuchen zurück und sah gerade noch Miss Preusslers spitzenbesetzte knöchellange Unterhosen in der Felsspalte verschwinden, dann gaben seine Beine unter ihm nach, und er sank haltlos auf die Knie. Auch Tom rutschte erschöpft an der Wand entlang in die Hocke, blieb aber nur einen Herzschlag lang sitzen, bevor er sich wieder hochstemmte und Mogens einen auffordernden Blick zuwarf.
»Jetzt Sie, Professor«, sagte er.
Mogens schüttelte mühsam den Kopf. Sein Herz hämmerte, als wollte es zerspringen, und sein Rücken und seine Schultermuskeln taten so weh, als hätte er versucht, mit zwei Sarkophagdeckeln zu jonglieren. »Du … zuerst«, keuchte er.
»Ich kann allein da raufklettern«, antwortete Tom. »Schaffen Sie das auch?«
Das war ein Argument, dem Mogens schwerlich etwas entgegenzusetzen hatte; auch wenn er ganz und gar nicht überzeugt war, dass Tom es wirklich aus eigener Kraft schaffen würde. Trotzdem widersprach er nicht noch einmal, sondern kämpfte sich mühsam auf die Beine, setzte den Fuß auf die gleiche Art wie Miss Preussler zuvor in Toms gefaltete Hände und kletterte von dort aus auf seine Schultern. Seine Bewunderung für Miss Preusslers Leistung wuchs, als er spürte, wie schwer es ihm fiel, unsicher auf Toms Schultern balancierend sich nur mit der
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