Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
gerade jemand angeklopft oder von der anderen Seite gerufen.
»Pass auf, was du sagst, wenn du mit mir red’st, Scheißkerl. Und du sollst ihr diese Bilder zeig’n, Seth. Unser Kumpel will das so. Er will die Schnecke gern mal kenn’ lern’. Ihr das hässliche Maul stopfen. So wie ihrer beschissenen Schlampentante. Es gibt viel zu gucken, wenn man weiß, wo, stimmt’s nich’? Das weißt du besser als ich. Also schaff sie in die Wohnung. Du weißt ja, wo sie is’.
Sie is’ die Letzte, Seth. Du bist fast fertig. Und dann kriegst du, was du verdienst. Er wird’n paar Sachen für dich hinbiegen. Danach hast du ausgesorgt. Du kannst dort mit uns zusammen wohn’. Ab und zu ’n Bild mal’n und unten woh’n. Ganz in der Nähe. Wir werden zuammenbleib’n. Also tu jetzt, was du tun sollst, verdammt, und bring diese Tussi in die Wohnung, okay!«
»Welche Gemälde? Die Gemälde von Hessen?«
Seth seufzte laut auf. Dann schluckte er. Er wandte sich von der Tür ab und sah sie an. Irgendwie mitleidig, fand sie. »Sie müssen das verstehen. Niemand hat mich jemals vorher so inspiriert. Kein anderer Künstler hat so einen großen Eindruck auf mich gemacht, mich so direkt angesprochen. Er hat mir gezeigt, dass ich noch mal ganz von vorn anfangen muss. Er hat mir eine eigene Stimme gegeben, Apryl. Aber … «
Apryl wurde schwindelig. Sein Gerede kam ihr so verworren vor, und gleichzeitig war sie aufgeregt, weil sie nun wusste, dass Hessens Gemälde tatsächlich noch existierten. Es war, als würde sie Lillians Tagebücher noch einmal von vorn lesen. Jetzt wurde alles bestätigt, was dort stand. Von diesem verängstigten, besessenen jungen Mann, dessen Augen vom langanhaltenden Schlafmangel gezeichnet waren und der aussah, als litte er an einer tödlichen Krankheit.
»Ich muss was trinken.« Apryl nahm einen Schluck von dem billigen sauren Wein, den Seth in seinem Kühlschrank aufbewahrte. Immerhin war er kalt. Dann setzte sie sich wieder auf das Bett und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. »Seth, ich möchte gern wissen, was sich noch in diesem Apartment befindet.«
Er zuckte zusammen, goss sich etwas von dem Wein in einen schmutzigen Kaffeebecher und zündete sich eine weitere Zigarette an.
»Ich möchte wissen, was passiert ist, Seth. Was meiner Großtante zugestoßen ist. Und den anderen. Sie wissen doch, dass er sie umgebracht hat. Er ist immer noch in diesem Haus. Das wissen Sie doch, oder?«
Sein ganzer Körper schien zu schrumpfen. Er ließ den Kopf hängen, sein knöchriges Rückgrat zeichnete sich deutlich unter dem Stoff seines Hemds ab. Sie schlug so hastig die Beine übereinander, dass der Stoff ihrer Strümpfe ein zischendes Geräusch von sich gab. »Haben Sie ihm dabei geholfen?«
Seth hob den Kopf. »Ich wurde reingelegt.«
»Wie denn? Wie haben Sie es getan?«
Er sah sie an. Er war kreidebleich, seine Augen leuchteten wild und panisch. »Ich hab es einfach wieder hereingelassen. Ich wusste ja nicht … « Er schluckte und blickte wieder zur Tür. Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Und dann war es zu spät.«
Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm. Er sah dabei zu und fing an zu schluchzen.
Ihre nächsten Worte waren gleichermaßen an Seth wie an sich selbst gerichtet. »Niemand wird uns das glauben. Das, was wir beide wissen. Was nur wir beide wissen.« Dann wurde ihr Gesichtsausdruck mit einem Mal so hart und unerbittlich, dass es ihm Angst machte. »Aber er muss zurückgeschickt werden, Seth. Das ist Ihnen doch klar. Das, wodurch er immer wieder in unsere Welt eindringt, muss geschlossen werden. Er hat jemanden aus meiner Familie getötet. Und Sie haben ihm dabei geholfen. Also müssen Sie jetzt mir helfen, Seth. Sonst wird es Ärger geben. Mehr als Sie ertragen können. Miles weiß auch davon. Er ist mein Freund. Er weiß alles, also wird mir nichts zustoßen, wenn ich in Apartment sechzehn reingehe, um dieses verdammte Loch zu stopfen. Verstehen Sie?«
Draußen vor der Tür trampelte jemand unbeholfen durch den dunklen Flur und fluchte mit starkem irischen Akzent vor sich hin. Beide zuckten zusammen, als sie es hörten. Apryl hielt die Luft an.
Seth schluckte lautstark. »Darum geht es nicht. Sie dort reinzubringen ist ganz leicht. Kein Problem. Das ist nicht schwer.«
»Sondern was?«
Er sah zur Tür und flüsterte, als hätte er Angst, dass jemand ihn hören könnte: »Es ist gefährlich.«
Apryl spürte, wie ihr ein eisiger Schauer über die Haut lief.
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