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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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schließen müssen. Keine Steine mehr. Keine Häuser. Keine Häuser mehr, kein Fachwerk. Kein Fachwerk, keine Dächer, keine Balken, keine Bretter. So einfach war das. Da konnte Klemens auch im Bett bleiben.
    Balduin, Dagobert, Hannes, Konrad und Ewald aber sahen das anders, und man konnte sich auch Arbeit suchen! Sie hatten gehört, dass es Arbeit gab in Frankreich, im Süden, dort wurden Brücken über die Garonne gebaut, bei Bordeaux, aber auch im Hafen von Marseille, auch konnten sie dort Häuser verschalen, dort brauchten sie tüchtige Zimmerleute, richtige Fachmänner, so wie Balduin und Dagobert und Hannes welche waren. Sie mussten nur jemanden haben, der ihnen kochte, und da Konrad und Ewald und Hannes noch unverheiratet waren und die anderen Kinder daheim hatten, wäre es doch schön, wenn Apollonia und Dagoberts Hermine mitkommen könnten, um für sie zu waschen und zu sorgen.
    Der Dapprechter Gustav war anderer Meinung. Arbeit suchen, das musste sein; sich umtun und früh aufstehen und nicht herumlungern und seine Christenpflicht tun und keinen Müßiggang pflegen, das ja! Aber nach Frankreich gehen und sich beim Erbfeind anzudienen ohne Ehre wie ein vaterlandsloser Geselle und ihn anzubetteln um Lohn und Brot, das war eines deutschen Mannes unwürdig! Überhaupt hielt der Dapprechter Gustav den Verlust der deutschen Würde nach dem Krieg für kaum tragbar und überlegte, sich in Hellersberg beim Verein der Kaisertreuen anzumelden und jeden Donnerstag in der Wirtschaft unterm Kaiserbild »Heil dir im Siegerkranz« zu singen und die »Wacht am Rhein« und »Wir wollen unsern Kaiser Wilhelm wieder haben«.
    Aber die Zimmerleute gaben nichts auf den Dapprechter Gustav, und mit jedem Tag, den das Gatter stillstand und die Kreissägen schwiegen und die Kerle auf dem Zimmerplatz umherlungerten, festigte sich ihr Entschluss, und im Frühling 1930 war es so weit:
    Sie brachen auf, zu Fuß, mit dem Pappkoffer und jeder mit seinen paar kärglichen Hemden und geflickten Unterhosen und Apollonia mit ihrem einzigen schönen Kleid und den alten Röcken und ein paar Strümpfen und ihren genagelten Schuhen, zum Bahnhof nach Wällershofen. Von dort fuhr der Zug über die Hügel und Täler Richtung Koblenz, dann Richtung Trier und auf Saarbrücken und dann Toulouse, und sie packten erst einmal die Butterbrote aus mit dem geräucherten Schwartenmagen und dem Ei und den Schmalzbroten und tranken Wasser aus der Blechtasse und waren aufgeregt und übten drei Brocken Französisch und waren außer sich über das große Abenteuer, das sie hier erlebten.
    Schon bald hinter Saarbrücken hörte Apollonia die Leute in einer anderen Sprache sprechen, die sie nie zuvor gehört hatte, und es kam ihr vor, als würden sie beim Reden singen, und da sie selber aus Scholmerbach kam, wo die Leute sprachen wie ein Zug, der auf rostigen Gleisen ins Gebüsch donnert, meinte sie, noch nie zuvor so etwas Schönes gehört zu haben.
    In Frankreich ging es dann immer nach Süden, bis Apollonia auf einmal die Bäume sah mit den Orangenblüten und Felder voller Lavendel und Berge, an denen sich wilder Wein emporrankte. Etwas so Wunderbares konnte man sich gar nicht vorstellen, und der Himmel war so blau und das Meer nicht weit, wie der Herrgott das alles geschaffen hatte, das konnte man gar nicht fassen, und alle sangen: »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt!«
    Und sie hofften sehr, die versprochene Anstellung zu finden und ein wenig bleiben zu können, denn der Erbfeind, der ihnen da im Zug begegnet war, schien doch recht freundlich und fröhlich und machte nicht so eine sauertöpfische Miene wie mancher Deutsche, und da wollte man sich auch von Anfang an von seiner besten Seite zeigen, und auch Apollonia bemühte sich sehr, wie die Franzosen ein schönes Lächeln zu zeigen, denn was die Franzosen konnten, das konnte sie schon lange!
    Die Brücken über die Garonne wurden gebaut, und die Arbeit der Zimmerleute war notwendig, und die Männer gaben sich besondere Mühe, denn im Ausland, da schaute man ihnen auf die Finger und da musste man sich als Deutscher anstrengen, auch Klemens, und bald schon machten sie auch hier ihre Späße und wollten gar nicht mehr zurück in den Westerwald. Apollonia und Hermine hatten es sich recht hübsch gemacht in der bescheidenen Pension von Madame Theron und einige Kissen und Kochpötte besorgt und sich durch die französischen Gewürze gefragt, und sie entdeckten jeden Tag etwas Neues

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