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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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erreicht hatte, wartete er nicht ab, bis ein Diener ihm die Trittstufe ausgeklappt hatte, sondern sprang aus dem Wagen und stürmte ins Haus.
    »Juliane! Wilhelmine! Kommt rasch«, rief er die Treppe hoch.
    Seine Frau trat aus ihren Räumen und sah überrascht auf ihn herab. »Ist etwas geschehen?«
    »Nein! Ich meine: Ja! Wo bleibt das Mädel?«
    Etwas pikiert über diesen burschikosen Ausdruck wies Juliane Grünfelder in die Richtung, in der die Zimmer der Tochter lagen. »Wilhelmine liest!«
    »Sie soll das dumme Buch in die Ecke werfen! Es gibt wichtige Neuigkeiten, die vor allem sie betreffen«, rief Grünfelder und genoss die verwunderten Blicke seiner Frau.
    »Hat ein repräsentabler Herr um sie angehalten?« Als Mutter hätte Juliane Grünfelder ihr Seelenheil für diese Nachricht gegeben. Nur eine rasche und vor allem passende Heirat ihrer Tochter würde den drohenden Skandal wegen der Entführung durch von Trepkow verhindern. Schon jetzt äußerten Bekannte wie Frau von Stenik oder Kriemhild von Wesel, es könnte sich um gar keine richtige Entführung gehandelt haben, da Wilhelmine dem Leutnant ja freiwillig gefolgt und sozusagen mit ihm durchgebrannt wäre. Die Entführung habe sie doch nur vorgetäuscht, weil die Verfolger zu früh erschienen wären.
    Grünfelder kannte diese Gerüchte genauso gut wie seine Frau und hoffte daher, Fridolin so rasch wie möglich zu einer Scheidung und der Heirat mit Wilhelmine bewegen zu können. Dafür aber mussten sie ihn direkt vom Gefängnis abholen und ihm entsprechend um den Bart gehen. Für einen Augenblick dachte er an Fridolins Gattin. Immerhin hatten sie es ihr zu verdanken, dass Wilhelmine Trepkows Entführungsversuch unbeschadet überstanden hatte. Im Geiste erhöhte er die Abstandssumme, die er dieser zu zahlen gedachte, und wandte sich drängend an seine Frau.
    »Nein, bis jetzt hat niemand um das Mädel angehalten. Aber jetzt hol sie endlich! Es ist wichtig!«
    Nun bequemte seine Frau sich doch, die Tochter zu suchen. Diese lag blass und mit einem parfümierten Tuch in der Hand auf einer Chaiselongue, starrte in ein Buch, ohne darin zu lesen, und leerte gedankenversunken eine große Schachtel Pralinés.
    »Steh auf! Dein Vater hat uns etwas Wichtiges mitzuteilen!«Als ihre Tochter nicht sofort reagierte, fasste sie diese am Arm und zog sie hoch. »Willst du Papa warten lassen?«
    Es klang ungewohnt scharf, denn nach Ansicht der Mutter durfte eine wohlerzogene junge Dame sich nicht so gehen lassen, wie
     Wilhelmine es tat.
    Ihre Tochter fühlte sich elend und verlangte, dass alle Welt Rücksicht auf sie nahm. Daher stand sie unter etlichen Seufzern auf, naschte rasch noch ein Praliné und folgte dann ihrer Mutter mit müden Schritten hinab in den Salon.
    Dort wartete Grünfelder bereits wie auf Kohlen sitzend auf die beiden. »Zieht eure Ausgehkleider an, aber beeilt euch! Die Kutsche wartet bereits.«
    Seine Frau kniff verwundert die Augen zusammen. »Du hast nichts davon gesagt, dass wir ausfahren werden. Wolltest du nicht in die Bank?«
    »Später! Jetzt gibt es anderes zu tun. Ich habe vorhin Herrn von Bucher getroffen und von ihm erfahren, dass die Mordvorwürfe gegen Herrn von Trettin haltlos sind. Er wird heute noch aus dem Gefängnis entlassen. Daher will ich ihn mit euch zusammen abholen.«
    »Fridolin ist unschuldig!« Wilhelmines Miene hellte sich mit einem Schlag auf. Ihre Augen begannen zu leuchten, und sie drängte ihren Vater, mehr zu berichten. Doch Grünfelder befahl ihr, sich schnellstmöglich umzuziehen.
    »Ich warte fünf Minuten auf euch, keine Sekunde länger!« Dabei zog er seine Uhr aus der Tasche und klappte demonstrativ den Deckel auf.
    »Fünf Minuten? Das ist zu kurz. Eine halbe Stunde sollte es schon sein«, wandte seine Frau ein.
    »Wenn ihr wollt, dass Frau von Trettin vor uns beim Gefängnis ist, um ihren Mann abzuholen, dann bitte!« Mit keiner anderen Drohung hätte Grünfelder seine Frau und seine Tochter stärker zur Eile antreiben können als mit diesen Worten. Beide liefen erschrocken davon und kehrten so rasch zurück, dass er in der Zwischenzeit nicht mehr als einen einzigen Cognac hatte trinken können.
    Seine Frau trug ein hellbraunes Ausgehkleid mit einem bis zu den Hüften reichendes Fischbeinmieder, einen drapierten Oberrock und einen weiteren Rock aus plissierter Seide und hatte dazu einen steifen, mit Bändern und Blüten verzierten Filzhut aufgesetzt. Wilhelmine erschien mit einem kleinen federgeschmückten Hut,

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