Aprilgewitter
musste.
Wie von der Tarantel gestochen fuhr der Leutnant auf seinen Gegner zu und hätte diesen beinahe überrascht. Im letzten Moment wich Emil zur Seite, und so zog von Trepkows Säbel nur eine blutige Schramme über seine Wange. Die Verletzung machte Emil klar, dass er nicht auf dem Paukboden stand, sondern ein tödliches Duell ausfocht. Mit zwei, drei Hieben drängte er Trepkow zurück, durchbrach dessen Deckung und stieß ihm die Klinge direkt unterhalb des Brustbeins in den Leib.
Von Trepkow sackte in sich zusammen und blieb auf dem Rasen liegen. Der Arzt kniete neben ihm nieder, untersuchte ihn und schüttelte den Kopf. »Da ist nichts mehr zu machen.«
»Ausgezeichneter Hieb!«, lobte der Oberst erleichtert, weil die Duelle mit dem gewünschten Ergebnis geendet hatten.
Die Männer, die von Palkow und von Trepkow begleitet hatten, trugen den Leichnam des Leutnants zum Wagen, legten ihn hinein und schwangen sich auf die Pferde. Ihr Offizier berührte noch kurz mit der Rechten seinen Helm, dann brachen sie auf.
Fridolin blickte ihnen hinterher und begriff erst nach und nach, was geschehen war. Das Gefühl, einen Menschen getötet zu haben, fraß sich wie Säure in seinen Kopf, und für einen Moment schauderte ihm vor sich selbst.
Unterdessen behandelte der Arzt Emils Verletzung. »Schlimm ist sie ja nicht, aber Sie werden eine sichtbare Narbe zurückbehalten.«
Emil Dohnke stieß ein kurzes Lachen aus. »Jetzt habe ich acht Mensuren ohne Schrammen überstanden, und ausgerechnet heute muss das passieren.«
»Immer noch besser eine Schramme im Gesicht als ein durchbohrtes Herz«, kommentierte der Arzt trocken und sah dann Fridolin erschrocken an.
»Sie sind ebenfalls verwundet, Herr von Trettin!«
Bis jetzt hatte Fridolin nichts gespürt, doch als er darauf angesprochen wurde, schmerzte auf einmal das linke Ohr. Da war auch schon der Arzt bei ihm und betupfte es mit Jod.
»Auf den Tod getroffen sind Sie nicht. Palkows Kugel hat Ihnen zum Glück nur das halbe Ohrläppchen abrasiert!«
Fridolins Aufatmen brachte die anderen zum Lachen, und von Scholten klopfte ihm auf die Schulter. »Damit kann niemand mehr sagen, bei diesem Duell sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Sie tragen das sichtbare Zeichen mit sich herum, dass von Palkows Pistole geladen war!«
Während der Arzt Fridolin so verband, als hätte von Palkow ihm nicht nur die Spitze des Ohrläppchens, sondern den halben Kopf weggeschossen, versuchte er, seinen Duellgegner aus seinen Gedanken zu verdrängen. Er wusste jedoch, dass er noch lange an diesen Morgen denken und im Traum den Klang der Duellpistolen hören würde.
Wie gerne wäre er jetzt nach Hause gefahren und hätte mit Lore geredet. Da ihm dies jedoch verwehrt war, entschloss er sich, ein Kondolenzschreiben an Malwine aufzusetzen und ihr mitzuteilen, wie sehr er den Tod ihres Sohnes Wenzel bedauerte. Er konnte nicht wissen, dass er Malwine soeben einen Verlust zugefügt hatte, der Wenzels Tod weit in den Schatten stellte.
XIV.
L ore und Nathalia verbrachten einige angenehme Wochen in Bremen, ohne etwas von den Ereignissen in Berlin zu erfahren. Dorothea Simmern leistete ihnen die meiste Zeit Gesellschaft, und auch deren Ehemann Thomas nahm sich mehrfach frei, um sie auf Ausflügen zu begleiten. Zu Beginn hatten beide noch versucht, mit ihrer Freundin über Fridolin zu sprechen. Aber ihnen war rasch klar geworden, dass Lore allein bei der Erwähnung des Namens die Stacheln ausfuhr. Da sie befürchteten, Lore könnte, wenn sie zu sehr in sie drangen, Bremen heimlich verlassen, mieden sie dieses Thema und hofften auf die Heilkraft der Zeit.
Als sich Nathalias Ferien dem Ende zuneigten, tauchte ein weiteres Problem auf. Das Mädchen weigerte sich, in die Schweiz zurückzukehren.
»Ich mag nicht!«, rief sie zornig, als Dorothea sie darauf ansprach.
»Aber Kind, wie kannst du nur so uneinsichtig sein? Wenn du eine Dame werden willst, musst du eine Höhere Töchterschule absolvieren. Wie willst du sonst lernen, was richtig ist und was falsch?«, versuchte Dorothea sie zu überreden.
»Lore wird mir alles beibringen, was ich wissen muss!«, behauptete Nathalia.
Dorothea schüttelte mit einem gespielten Lächeln den Kopf. »Aber Kind, du kannst Lore nicht dazu zwingen, ihr Leben aufzugeben und nur noch für dich da zu sein.«
Lore hätte ihr am liebsten gesagt, dass ihr eigenes Leben in Scherben lag und sie sich gerne um Nathalia kümmern würde. Doch im nächsten Moment schalt
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