APROPOS JANE ROBERTS - ERINNERUNGEN EINER FREUNDIN (German Edition)
Debatte über das Thema Vererbung versus Umfeld, die mein Vater zwangsläufig gewann, indem er meine etwas übereifrige Mutter gelassen in die fürchterlichste Enge trieb, bis sie völlig aufgelöst auf den Tisch schlug und schrie: „Du elender Hurensohn! Du Bastard! Du bist noch weniger wert als Walmist!“ Er konnte das immer wieder mit allen machen. Erwachsene Personen kamen so weit, dass sie bei Diskussionen über Dinge wie Schaf-Milzbrand aufschrieen oder losheulten, während er dazu nur unschuldig und unbeeindruckt lächelte.
Meine Kindheit war zum größten Teil idyllisch und friedlich und ich verbrachte sie meist draußen, streifte in jenen unglaublich lieblichen, sicheren und unüberbauten Fünfziger- und Sechzigerjahren durch die Wälder und Hügel, war im Winter entweder draußen beim Schlittschuhlaufen oder drinnen, zusammengerollt mit einem Buch. Ich war grundsätzlich mir selbst überlassen, in einer Art ländlich gepflegter, aber wohlwollender Einsamkeit. Sie passte mir vollkommen, oder vielleicht passte ich mich ihr vollkommen an – Vererbung als Wahl? Ich konnte schon früh lesen und mit fünf oder sechs Jahren las ich ohne irgendwelche Zensur schon alles mögliche, Bücher, Enzyklopädien, Zeitungen, Comics, populärwissenschaftliche Zeitschriften und was ich an Sciencefiction- und Fantasie-Geschichten in die Hände bekam. Mit sieben Jahren begann ich selbst Geschichten zu schreiben, mit Bleistift, in schwarze Notizbücher mit marmoriertem Rücken. Noch heute bringt mir der Geschmack von Bleistiften das prickelnde Gefühl jener ersten Geschichten zurück, von Wörtern, die wie Zauberei aus dem Nichts auf der leeren Seite erschienen. Mein Großvater Baker schenkte mir meine erste Schreibmaschine, ein sperriges Remington Handmodell mit einem zerbrochenen „p“, auf dem ich während vieler Jahre stundenlang tippte. Meistens las ich auch in der Öffentlichkeit und nahm immer ein Buch mit, wenn wir irgendwohin gingen. Ein Freund meiner Eltern, der behauptete, Psychologe zu sein, beobachtete mich eines Abends, als ich acht- oder neunjährig war und wieder einmal mit einem Buch vor dem Gesicht im Restaurant saß, kam zu uns herüber und fragte: „Wovor verbirgt sich dieses Kind?“ Alle starrten mich an, und ich gab vor, nichts bemerkt zu haben und fuhr fort zu lesen, als ob ich taub wäre; eine Gewohnheit übrigens, der ich sogar heute noch fröne und die auch Jane gerne auszuüben pflegte. Ich erinnere mich an das aufregende Gefühl des Wiedererkennens, als sie mir erzählte, wie sie allein in Bars oder Restaurants saß – „mit meiner Nase in einem Buch oder beim Schreiben von Gedichten mit jenem verdammt großartigen Gefühl der Verachtung, und wenn sich mir jemand näherte, fuhr ich einfach weiter, blickte nicht mal auf, so als ob alle anderen weit unter meiner Beachtung wären.“
Im Gegensatz zu Jane hatte ich immer lebhafte Träume, merkwürdige Berührungen mit „ASW“, erstaunliche kleine visionsähnliche Begegnungen – jene Art von Dingen, worüber auch meine Eltern manchmal sprachen, vor allem mein Vater, der mir einmal erzählte, dass er als Marineinfanterist durch einen plötzlichen Impuls, sich zum freiwilligen Küstendienst in Guadalcanal zu melden, sein Leben gerettet habe, denn die Männer, die damals ausrückten, wurden alle durch einen überraschenden Fliegerangriff auf die ausfahrenden Schiffe getötet. „Ich habe mich weder vorher noch nachher freiwillig für etwas gemeldet,“ erklärte er. „Irgendetwas sagte mir einfach, ich solle es tun.“ Das war eine der zwei einzigen Episoden, die er vom Krieg erzählte. Die andere war eine lustige Geschichte über einen versehentlichen Stich ins Hinterteil eines Pferdes. Erst kürzlich habe ich jedoch eine Version dieser gleichen Geschichte in einer Sammlung lokaler Legenden gefunden. Ob es von Anfang an seine Geschichte war oder eine, die er einfach nur weitergab, weil er uns glauben lassen wollte, dass nicht alles in jener Zeit seines Lebens nur fürchterlich und entsetzlich gewesen war, weiß ich nicht.
Erst nachdem er 1983 gestorben war, begann ich mir einzugestehen, was wir drei immer mit einem sportlich-humoristischen Kameradschaftsgeist verleugnet hatten: Er war während des größten Teils seines Erwachsenenlebens Alkoholiker gewesen. Nicht irgendein verkommener oder rüpelhafter Säufer, sondern ein Gentleman mit abendlichen Scotches on the Rocks, die immer früher am Abend begannen, stundenlangen Cocktails bei
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