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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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sei sie mir von einem grandiosen Chirurgen unbemerkt abgetrennt worden. Ich lief aus dem Haus, wollte den Himmel sehen, in der Hand eines der Büchlein mit meinen Tagebuchaufzeichnungen. In stürmischer Sehnsucht erfasste mich ein vorbeifahrendes, wohl auf den ersten Blick in Liebe zu mir entbranntes Auto. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht. Dort träumte ich zum ersten Mal von Ihâb und seinem Leben in der Kälte, und mein Körper zitterte ergriffen.
    Gerettet hat mich wahrscheinlich das tatarische Blut in meinen Adern, das ich von meiner Urgrossmutter geerbthatte und das mir hin und wieder deutlich zeigt, dass ich dem Reich der Goldenen Horde entstamme. Der Arzt stellte weder Brüche noch ernsthafte Verletzungen fest. Ein paar Prellungen, sonst nichts. Wovor mich mein Blut allerdings nicht bewahren konnte, war die Trauer um mein Tagebuch, das mich für immer verlassen hatte und mit dem Gefühl zurückliess, ich sei um ein paar Lebensjahre gebracht worden. Als mich das Auto nämlich von hinten anfuhr, sprangen mir meine Memoiren aus der Hand und verschwanden in dem Gully, in den auch Fairûs’ und Anwar Wagdis Geldstück gefallen war. 66
    Wie dem auch sei, jedenfalls wollte ich mich nun ins Kaffeehaus Groppi setzen, vorher aber meine Tochter anrufen und dazubitten. Obwohl auf dem Schild »Telefonieren Sie nach Belieben« stand, liess mich der junge Mann partout nicht selbst wählen. Also gab ich ihm die Nummer.
    »Ich gehe jetzt ins Groppi in der Adlistrasse. Was hast du vor?«
    »Es ist dein Geburtstag, Mama, eigentlich sollte ich schon seit heute Morgen bei dir sein. Ich habe dir eine Nachricht aufs Band gesprochen. Ich mache mich sofort auf den Weg.«
    Ich entschied, den Eingang in der Abdalchâlik-Tharwat-Strasse zu benutzen. Eine riesige Glastür, verziert mit einem wunderschönen Muster aus schwarzen Linien. In der Mitte ein runder Holzknauf. Vater stiess die Tür auf. Mutter und ich gingen hinein, er folgte uns. Künstlich gekühlte Luft schlug mir entgegen. Menschen gingen ein und aus. Eine Warteschlange an der Schokoladentheke. Auf dergegenüberliegenden Seite standen noch mehr Leute für Kuchen und Torten an. Überall Kellner in blauer Tracht mit glänzenden Metallknöpfen. In ihren Gewändern, die am Oberkörper eng anlagen und nach unten glockenförmig ausliefen, erinnerten sie an Derwische, die um das Zentrum des Universums kreisen. Mutter kaufte an der Lebensmitteltheke unseren geliebten Kaschkawal-Käse. Vater und ich gingen in den Garten. Die Sonne schien wie immer, ihre Strahlen gaben mir die Wärme zurück, die mir die Klimaanlage entzogen hatte. Wir fanden keinen Platz, alle Stühle waren besetzt. Onkel Sâlich, der nubische Kellner, der einen Narren an mir gefressen hatte, kam eilig zu uns. Amîn Bek begleiche gerade die Rechnung, sagte er zu Vater. Ein paar Minuten Geduld, und dann könnten wir uns setzen. Unauffällig legte er mir einen der Pfefferminzbonbons in die Hand, von denen er wusste, dass ich sie besonders gern mochte. Ich schaute zu Vater, um mich zu vergewissern, dass er es nicht mitbekommen hatte. Dann betrachtete ich Amîn Bek. Ein Mann in den Siebzigern. Im grauen Mantel und mit der goldenen Kette der Uhr, die aus seiner Westentasche hing, wirkte er eleganter als Mustafa Kâmil Pascha.
    A ls ich das Zentrum nach langen Jahren zum ersten Mal wieder betrat, war mir die Kehle wie zugeschnürt. Mein Leben hatte in dieser Einrichtung begonnen, die damals selbst nur wenige Monate alt war. Hand in Hand waren wir dem Bauch des Nichts entschlüpft. Die gemeinsam verlebte Zeit hatte uns geformt und geprägt, so dass wir uns kaum mehr voneinander unterschieden. Dann hatte ich die Einrichtung verlassen. Heute ist sie von junger Lebensenergieerfüllt. An meinem Körper dagegen sind die Spuren sichtbar, die die Krallen der Scheidung hinterlassen haben. Das Zentrum hatte sich verändert, war mir nicht mehr vertraut. Ich wurde von riesigen Postern empfangen, auf denen Fotos von Frauen zu sehen waren, die ich nicht kannte. Eine Frau in den Zwanzigern schaut mit grossen Augen aus einem Plakat. Sie trägt ein langes schwarzes Gewand und ein schwarzes Kopftuch. Darüber steht »Die rechtliche Präsenz der Frau«. Die Sekretärin, mir ebenfalls unbekannt, sprach mich an wie eine Fremde. Was ich wünschte, fragte sie. Ich nannte ihr meinen Namen, worauf sie mich willkommen hiess und zur Leiterin führte. Am nächsten Tag erschien ich zur Arbeit und hatte mein Leben zurück. Das Zentrum kam mir vor wie

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