Arche Noah | Roman aus Ägypten
Geschlechtsakt in unbekleidetem Zustand vollzogen wird. In dem Momentbetrat Farîd al-Mungi das Büro und teilte ihm mit, dass das Studentenparlament entschieden habe – und zwar einstimmig, was bisher noch nie vorgekommen sei –, am Montag, dem 16. Januar, die Lehrveranstaltungen zu bestreiken. Dies sei, erläuterte er, eine spontane Reaktion auf die Beschlüsse der Universitätsleitung, denn diese seien für die Studenten von Nachteil. Aus diesem Anlass, sagte Farîd abschliessend, lade er am Abend vor dem Streik zum Essen ein.
Die Einladung lehnte Doktor Murtada ab, doch er bekundete Interesse, mehr über das Studentenparlament zu erfahren, von dem er noch nie etwas gehört hatte. Er schob Doktor Raschâds Fetwa beiseite und nahm sich die Studentenverfassung vor.
S ei genügsam, denn Segen ist ein flüchtiger Gast!, mahnte ich mich selbst immer wieder, als ich an diese Universität kam. Mit »Segen« meinte ich keineswegs, dass Gott so gütig war, mir die Reise hierher zu ermöglichen. Nein, denn Ägypten verlassen zu haben, empfand ich eher als Fluch. Mit »Segen« meinte ich vielmehr den hiesigen Überfluss: angefangen von meinem Büro über die Architektur der Gebäude, die Ausstattung der Bibliothek und Vorlesungssäle bis hin zum frischen Raumklima. Zu sehen, welche Möglichkeiten diese Einrichtung den Studierenden bot und welche Zustände dagegen an der Ain-Schams-Universität herrschten, erschütterte mich. Doch die luxuriösen Verhältnisse hier bedeuteten mir letztendlich nichts. Was mich weitaus mehr beeindruckte, war der Inhalt der Studentenverfassung wie auch die Tatsache, dass die Studenten den Streik konsequent durchzogen und am Ende tatsächlich ihre Forderungen durchsetzten. Man kann über Demokratie sagen, was man will, und sie als Marionettentheater bezeichnen, doch seit jenemTag verspürte ich den Drang, am politischen Leben meines Landes Anteil zu nehmen.
D er Typ ist nicht ganz dicht! Staucht mich zusammen, nur weil ihm meine Ansichten nicht passen. Ich habe gesagt, dass mir Ägypten gestohlen bleiben kann. Mein Vater und meine Schwester leben in Amerika, und meine Mutter ist im Himmel. Was soll ich also noch nach Ägypten fahren, wo die al-Mungis am Aussterben sind? Na ja, ich bin in dem Gespräch ziemlich heftig geworden. Wer an einem herrlichen Strand lebt und die geilsten Bräute um sich hat, wird wohl kaum in den Gully steigen wollen, habe ich gesagt. Daraufhin hielt er mir eine Moralpredigt über patriotische Pflichten und Vaterlandsliebe. Ausserdem kam er mir mit irgendwelchem Schwachsinn von Saad Saghlûl 19 . Über den weiss ich eh nicht viel, nur dass er den Spruch »es hilft nichts« abgesondert hat. Angeblich eine Fehlinformation, wie mich dieser Besserwisser belehrte. Zum Schluss schwafelte er noch so ein wirres Zeug: dass Ägypten durch unsere Adern fliesse und dass mir bei der kleinsten Verletzung Nilwasser aus den Klamotten sickern würde. Solche Reden hat er geschwungen, und zwei Tage später erfahre ich, dass er am Wochenende Deborah heiraten will. Ich war platt. Ausgerechnet Deborah, diese ätzende Schachtel aus der Bibliothek, in deren Nähe man am besten die Augen zukneift, um sich den grässlichen Anblick zu ersparen. Echt englisch die Tante, klobig wie ein Wanderstiefel. Was mich wahnsinnig macht, ist die Schizophrenie von diesem Kerl. Erst grosse Töne spucken und dann eine Engländerin heiraten!
Abgesehen davon ist mir nicht ganz klar, wie er sich mit ihr streiten will bei der miserablen Aussprache, die er hat. Wiegedenkst du, sie auf Englisch zu beschimpfen, wenn du nach jeder Silbe erst mal Atem holen musst? Das hätte ich ihn am liebsten gefragt, aber ich habe mich nicht getraut. Schrecklicher Typ! Doch dann habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und ein paar arabischen Kumpels erzählt, dass wir zur Hochzeit eingeladen sind. Ich hatte mir überlegt, in die Party zu platzen und dem Herrn ordentlich auf den Geist zu gehen.
W er Geduld hat, wird belohnt.
Wer noch mehr Geduld hat,
feiert am 25. Februar 2006 Hochzeit.
Wer es nicht glaubt –
er könnte richtig liegen –,
den erwarten wir bei uns zu Hause,
denn wir glauben es selbst nicht.
Wer es aber glaubt,
verfolge das Fest bitte
in der BBC oder im Discovery Channel.
Formuliert, geschrieben und gestaltet hatte die Einladungskarte Deborahs Bruder Richard, ein bildender Künstler und begnadeter Grafikdesigner. Da keine Hoffnung bestand, dass er jemals heiraten würde, hatte sich Richard von
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