Archer Jeffrey
Zimmer.
Während des Tees war ich ziemlich schweigsam, weil ich mir alles durch den Kopf gehen ließ, was mein Vater mir eröffnet hatte. Amy andererseits plapperte unbeirrt über die Auswirkung der anhaltenden Trockenheit auf ihre Sommerblumen. »Aber die Petunien im Beet unter Vaters Fenster bekommen überhaupt keine Sonne ab«, sagte sie, als ihre Katze auf das Sofa sprang und sich auf ihren Schoß kuschelte. Ich konnte dieses rotgestromte Tier, dessen Namen mich noch nie interessiert hatte, nie ausstehen, ließ es mir aber nicht anmerken, weil es offenbar in Amys Herzen nach Vater an zweiter Stelle kam. Sie streichelte die Kreatur, anscheinend ohne daß ihr die Spannung zwischen uns auffiel, die sich durch das Gespräch im Arbeitszimmer ergeben hatte.
Ich ging an diesem Abend früh zu Bett, schlief jedoch nur wenig und schlecht, weil ich darüber nachgrübelte, welcher Weg mir noch offenstand. Ich gebe zu, daß ich ohnehin nicht erwartet hatte, daß mein Vater mich oder Amy zu Haupterben einsetzen würde, da wir beide bereits in den Sechzigern waren und keinen wirklichen Bedarf an einem zusätzlichen Einkommen hatten. Aber ich hatte doch sehr damit gerechnet, daß wir das Haus und den Landbesitz erben würden, während die Firma an Guy beziehungsweise nach seinem Tod an Nigel überginge.
Gegen Morgen mußte ich einsehen, daß es wenig gab, was ich gegen meines Vaters Entscheidung unternehmen konnte. Wenn Mr. Baverstock, sein langjähriger Anwalt und Freund, das Testament aufgesetzt hatte, wäre nicht einmal F. E. Smith imstande, ein Hintertürchen zu finden. Meine einzige Hoffnung, an Nigels rechtmäßiges Erbe heranzukommen, war, etwas in bezug auf Daniel Trumper zu unternehmen.
Mein Vater würde schließlich nicht ewig leben.
Wir saßen wie üblich in der dunkelsten Ecke, wo man uns von der Tür aus kaum sehen konnte. Er ließ wieder die Knöchel seiner Rechten knacken, einen Finger nach dem anderen.
»Wo ist es momentan?« fragte ich und blickte den Mann mir gegenüber an, dem ich Tausende von Pfund gezahlt hatte, seit ich ihn vor etwa zwanzig Jahren engagierte. Er kam immer noch im selben braunen Tweedjackett und der glänzenden gelben Krawatte zu unseren wöchentlichen Besprechungen im St. Agnes, er hatte sich allerdings in letzter Zeit offenbar ein paar neue Hemden geleistet. Er setzte seinen Whisky ab, holte ein braunes Päckchen unter seinem Stuhl hervor und überreichte es mir.
»Wieviel haben Sie bezahlen müssen, um es zurückzubekommen?«
»Fünfzig Pfund.«
»Ich habe Ihnen ausdrücklich gesagt, Sie sollten ihm nicht mehr als zwanzig Pfund dafür bieten, ohne vorher mit mir zu sprechen.«
»Ich weiß. Aber ein Händler aus dem West End schnüffelte im Laden herum. Ich durfte doch kein Risiko eingehen, oder?«
Ich glaubte keinen Augenblick, daß es Harris fünfzig Pfund gekostet hatte. Aber er wußte, wie wichtig das Bild für meine Pläne war.
»Möchten Sie, daß ich das Bild zur Polizei bringe?« fragte er. »Ich könnte dann einen Tip geben …«
»Auf keinen Fall«, antwortete ich ohne Zögern. »Die Polizei ist in solchen Dingen viel zu verschwiegen. Außerdem ist das, was ich vorhabe, für Mr. Trumper viel demütigender als eine diskrete Vernehmung ohne Zeugen in Scotland Yard.«
Mr. Harris lehnte sich auf dem alten, ledergepolsterten Stuhl zurück und knackte nun mit den Fingern der Linken.
»Was haben Sie sonst noch für mich?«
»Daniel Trumper arbeitet jetzt als Tutor am Trinity College. Sein Zimmer ist Nummer 7 am Aufgang B.«
»Das stand alles bereits in Ihrem letzten Bericht.«
Beide unterbrachen ihre Unterhaltung, als sich ein älterer Gast von einem nahen Tisch eine Zeitschrift holte.
»Er ist in letzter Zeit ziemlich viel mit einem Mädchen beisammen, einer Marjorie Carpenter. Mathematikstudentin im fünften Semester am Girton College.«
»Tatsächlich? Nun, sollte es so aussehen, als würde es etwas Ernsteres, lassen Sie es mich wissen, dann ist es an der Zeit, auch sie zu überprüfen.« Ich schaute mich im Cafe um, um sicherzugehen, daß niemand unser Gespräch mithören konnte. Das Fingerknacken begann erneut. Ich wandte mich wieder dem Detektiv zu und stellte fest, daß er mich merkwürdig anstarrte.
»Ist etwas?« fragte ich, während ich mir Tee nachgoß.
»Ja, um ehrlich zu sein, da ist etwas, Mrs. Trentham. Ich glaube, es ist an der Zeit, daß Sie mein Stundenhonorar wieder ein wenig erhöhen. Immerhin erwarten Sie von mir, so viele Geheimnisse zu bewahren …« Er zögerte
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