Archer, Jeffrey
mehr ins Gesicht ziehen, wenn du wirklich schick aussehen willst.«
Zum erstenmal folgte die Mutter dem Rat der Tochter.
Als Miss Tredgold ihren Schützling zu Bett brachte, erkundigte sie sich, wie es Florentyna gefallen habe.
»Sehr«, erwiderte das Kind. »Ich hatte keine Ahnung, daß Kleider einen so schön machen können.«
Miss Tredgold lächelte ein wenig sehnsüchtig.
»Und weißt du auch, daß mehr als achttausend Dollar für das Symphonieorchester eingenommen wurden? Das hätte selbst Papa imponiert.«
»Ganz bestimmt«, antwortete Miss Tredgold, »und eines Tages wirst du dir überlegen müssen, wie du dein Vermögen zugunsten anderer Menschen verwenden willst.
Es ist nicht immer einfach, reich zu sein.«
Am nächsten Tag zeigte Miss Tredgold Florentyna in Women’s Wear Daily ein Bild ihrer Mutter. »Baronin Rosnovski in Chicagos Modewelt«, stand darunter.
»Wann darf ich wieder zu einer Modeschau gehen?«
fragte Florentyna.
»Erst bis du Karl den Großen und das Tridentinische Konzil gelernt hast.«
»Was Karl der Große wohl getragen hat, als er zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt wurde?«
murmelte Florentyna.
Abends verlängerte sie beim Licht einer Taschenlampe und hinter verschlossenen Türen ihren Schulrock und nähte ihn an der Taille vier Zentimeter enger.
Florentyna war jetzt im letzten Semester der Unterstufe, und Abel hoffte, daß sie das begehrte Stipendium für die Upper School gewinnen würde. Natürlich wußte Florentyna, daß ihr Vater es sich leisten konnte, sie in die Upper School zu schicken, aber mit dem Geld, das sie ihrem Vater ersparen würde, wenn sie ein Stipendium bekam, hatte sie bereits Pläne. Sie hatte viel gelernt, wußte aber nicht, wie gut sie die Abschlußprüfungen bestanden hatte; hundertzweiundzwanzig Schüler aus Illinois waren zu den Prüfungen angetreten, und es gab nur vier Stipendien. Das Resultat werde man, so erklärte ihr Miss Tredgold, erst in einem Monat erfahren. »Geduld ist eine Tugend«, belehrte sie die Erzieherin und fügte scherzend hinzu, daß sie das nächste Schiff nach England nehmen werde, falls Florentyna nicht unter den drei Besten wäre.
»Sei nicht albern, Miss Tredgold, ich werde die Beste sein«, erwiderte Florentyna siegessicher, doch als die Tage vergingen, bereute sie ihre Prahlerei und vertraute Eleanor während eines Spaziergangs an, daß sie möglicherweise Sinus mit Cosinus verwechselt und ein ganz unmögliches Dreieck konstruiert habe. »Vielleicht werde ich nur zweite«, sagte sie kleinlaut beim Frühstück.
»Dann werde ich für die Eltern arbeiten, deren Kind erste geworden ist«, sagte Miss Tredgold ungerührt.
Lächelnd blickte Abel von der Morgenzeitung auf.
»Wenn du ein Stipendium bekommst, ersparst du mir tausend Dollar pro Jahr. Wenn du erste wirst, zweitausend.«
»Ja, Papa, und ich weiß auch, wie ich sie verwenden will.«
»Tatsächlich, junge Dame? Und darf ich wissen, wie?«
»Wenn ich ein Stipendium bekomme, möchte ich das Geld in Baron-Aktien anlegen, bis ich einundzwanzig bin.
Wenn ich gewinne, möchte ich, daß du für Miss Tredgold das gleiche machst.«
»Du meine Güte, nein«, wehrte Miss Tredgold ab und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. »Das wäre ganz unpassend. Bitte entschuldigen Sie Florentynas Unverschämtheit, Mr. Rosnovski.«
»Ich bin nicht unverschämt, Papa. Wenn ich erste werde, verdanke ich das Miss Tredgold.«
»Richtig«, sagte Abel, »und ich erkläre mich einverstanden. Aber unter einer Bedingung.«
»Und die lautet?«
»Wieviel hast du auf deinem Sparbuch, junge Dame?«
»Dreihundertzwölf Dollar« , kam prompt die Antwort.
»Gut, wenn du nicht unter den ersten vier bist, mußt du mir mit deinen dreihundertzwölf Dollar helfen, das Schulgeld zu bezahlen.«
Florentyna zögerte. Abel wartete. Miss Tredgold schwieg.
»Einverstanden«, erklärte Florentyna schließlich.
»Nie in meinem Leben habe ich gewettet, und ich kann nur hoffen, daß mein lieber Vater nichts davon erfährt«, sagte Miss Tredgold.
»Die Wette hat nichts mit Ihnen zu tun, Miss Tredgold.«
»Oh doch, Mr. Rosnovski. Wenn das Kind bereit ist, sein ganzes Geld aufs Spiel zu setzen, weil es dem vertraut, was es von mir gelernt hat, dann muß ich ebenfalls dreihundertzwölf Dollar zu seiner Erziehung beisteuern, wenn Florentyna kein Stipendium bekommt.«
»Bravo«, rief Florentyna und umarmte ihre Erzieherin.
»Narren werden ihr Geld leicht los«, erklärte Miss
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