Archer, Jeffrey
dein Projekt nicht hundertprozentig, weil ich nicht einsehe, warum du einen eigenen Designer anstellen willst.«
»Das kann ich dir sofort erklären«, sagte Florentyna.
»Obwohl wir jetzt fünf Läden haben, machen die Ausgaben für die Kleider immer noch vierzig Prozent des Umsatzes aus. Wenn die Kleider für mich allein entworfen würden, hätte das zwei Vorteile: erstens könnte ich meine Ausgaben reduzieren, und zweitens würden wir für unsere eigenen Schöpfungen werben.«
»Es hat aber auch einen großen Nachteil.«
»Und der wäre?«
»Wenn uns die Kleider gehören, gibt es keinen Rabatt auf Kleider, die binnen neunzig Tagen retourniert werden.«
»Richtig«, gab Florentyna zu, »aber je größer wir werden, desto kleiner wird dieses Problem. Und wenn ich den richtigen Designer bekomme, werden wir unsere Markenware letztlich auch an unsere Konkurrenz verkaufen.«
»Hat sich das bei den anderen Modeschöpfern bezahlt gemacht?«
»Im Fall von Pierre Cardin wurde der Designer berühmter als die Läden.«
»So einen Mann zu finden wird nicht einfach sein.«
»Hab ich dich nicht auch gefunden?«
»Nein, Jessie. Ich hab dich gefunden.«
Florentyna lächelte. »Zwei Kinder, ein sechstes Geschäft, und du wirst aufgefordert, in den Aufsichtsrat von Lester einzutreten. Vor allem aber werde ich deinen Vater kennenlernen. Was sonst könnten wir uns noch wünschen?«
»Es ist noch nicht soweit.«
»Du bist ein typischer Bankier. Wie immer die Wettervorhersage lautet, du erwartest nachmittags Regen.«
Annabel begann zu weinen.
»Siehst du, was ich meine?« sagte Richard. »Deine Tochter tobt schon wieder.«
»Warum ist meine Tochter immer schlimm und dein Sohn immer brav?«
Obwohl Florentyna am liebsten gleich nach Kates Rückkehr nach New York gefahren wäre, war sie mit der Eröffnung des Ladens in San Diego, mit der Suche nach einem Designer und mit ihren Mutterpflichten voll beschäftigt. Als das Datum der Reise nach New York näher rückte, wurde sie immer nervöser. Sorgfältig wählte sie die Garderobe aus, die sie mitnehmen wollte, und kleidete die Kinder neu ein. Sie kaufte sogar ein Hemd mit zarten roten Streifen für Richard, obwohl er es vermutlich bestenfalls zum Wochenende tragen würde. Jede Nacht lag sie wach und machte sich Sorgen, daß sie Richards Vater vielleicht nicht gefallen würde, obwohl Richard sie an Kates Worte erinnerte: »Er ist mindestens so nervös wie du.«
Um die Eröffnung des sechsten Geschäftes und die bevorstehende Versöhnung mit seinem Vater zu feiern, führte Richard seine Frau in eine Aufführung der
»Nußknacker-Suite«, getanzt vom italienischen Staatsballett. Richard gefiel das Ballett nicht übermäßig, doch war er erstaunt, daß Florentyna während der Vorstellung ebenfalls unruhig war. In der Pause fragte er sie, ob etwas nicht in Ordnung sei.
»Seit mehr als einer Stunde möchte ich herausfinden, wer diese fabelhaften Kostüme entworfen hat.«
Florentyna blätterte im Programmheft.
»Ich finde sie eher furchtbar«, meinte Richard.
»Weil du farbenblind bist«, sagte Florentyna trocken und las Richard aus dem Programmheft vor: »Er heißt Gianni Ferranti, wurde 1931 in Mailand geboren, und das ist sein erstes Gastspiel mit der italienischen Balletttruppe. Ob er sich von der Truppe löst, um für mich zu arbeiten?«
»Nach dem, was ich von deinem Unternehmen weiß, würde ich es an seiner Stelle nicht tun.«
Richard war nicht gerade hilfreich.
»Vielleicht ist er wagemutiger als du, Liebling.«
»Oder einfach verrückt. Schließlich ist er Italiener.«
»Jedenfalls gibt es nur eine Möglichkeit, es festzustellen.«
Florentyna stand auf.
»Und wie stellst du dir das vor?«
»Ich gehe hinter die Bühne.«
»Dann versäumst du die zweite Hälfte der Vorstellung.«
»Sie wird mein Leben voraussichtlich nicht ändern.«
Florentyna stand schon im Mittelgang.
Richard folgte ihr zum Bühneneingang. Ein junger Sicherheitsbeamter öffnete ein Fenster.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte er. Es klang keineswegs ermunternd.
»Ja«, sagte Florentyna selbstsicher, »ich bin mit Gianni Ferranti verabredet.«
Richard sah seine Frau mißbilligend an.
»Ihr Name bitte«, sagte der Beamte und ging zum Telefon.
»Florentyna Kane.«
Der Beamte wiederholte den Namen in den Hörer, hörte einen Moment zu, und legte wieder auf.
»Er sagt, er habe noch nie von Ihnen gehört.«
Einen Moment war Florentyna hilflos; Richard zückte eine Zwanzig-Dollar-Note
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