Ardeen: Band 1: Der Kreis der Magie (German Edition)
dafür nehmen, muss dann aber zusätzliche Zauber wirken und einiges beachten. Ich weiß nicht, ob mir Meister Lionas die Hand eines Toten besorgen würde? Eryn konnte sich das nicht recht vorstellen. Das Nachwachsenlassen erscheint mir im Augenblick die einzige realisierbare Möglichkeit, nur ist das auch bei weitem die schwierigste.
Harkon hatte Eryn einige der unbekannten Symbole erklärt und ganz langsam bekam der Gesamtzauber für Eryn einen Sinn.
An dieser Stelle wird betäubt, hier werden Knochen nachgebildet, dort Haut. Blutgefäße und Nerven... woher soll man nur wissen, wo die hingehören? Der Zauber für Verbindung taucht etliche Male auf. Material wandeln? Woher kommt die Substanz dafür? Man kann Materie nicht aus dem Nichts erschaffen, immer muss man die Bestandteile von woanders herbekommen, wo sie dann fehlen würden. Meist wird dies mit einer breiten Fächerung getan, sodass das Fehlen von Materie in der Umgebung nicht ins Gewicht fällt.
So brütete Eryn über Möglichkeiten nach, als Ravenor hereinkam. Deren und Farat waren gerade nicht da und das war schlecht, wie sich herausstellen sollte. Keiner der beiden grüßte. Warum auch? Als Ravenor am Tisch vorbeikam, stieß er zufällig dagegen und kippte das Tintenfläschchen um. Der Inhalt ergoss sich über Eryns Aufzeichnungen und färbte im Nu einen Teil davon schwarz.
Eryn versuchte zu retten, was noch zu retten war, dabei hörte er Ravenor in falscher Freundlichkeit sagen: „Och, das tut mir jetzt aber leid.“
Es war noch nicht einmal der Umstand, dass Ravenor ihn wiederholt gängelte, vielmehr waren die Aufzeichnungen nun unleserlich geworden und das brachte Eryn zur Weißglut.
„Du blödes Arschloch, das war Absicht!“ Natürlich war es das. Eigentlich unnötig, es noch extra zu erwähnen. Na warte!
Dann ging Eryn auf Ravenor los. Sie schlugen sich und packten einander, dabei kamen sie zu Fall und rangen auf dem Boden weiter. Es gelang Ravenor, Eryn zu Boden zu drücken und nun saß er rittlings auf ihm und bearbeitete ihn mit den Fäusten. Der ganze Kampf war von Schreien und dem Klappern umstürzender Stühle begleitet. Ein Rüstungsständer fiel um und unterstrich das Gerangel mit lautem Geschepper.
Ravenor musste wohl die Tür offen gelassen haben, denn sie merkten nicht, wie Sir Galden in den Raum trat. Erst als seine Stimme losdonnerte: „Sofort auseinander, Rekruten!“
Ravenor und Eryn wandten den Kopf in Richtung des Zugführers und erstarrten in der Bewegung.
Dann standen sie beide auf und Ravenor sagte als Erster: „Er hat mich angegriffen, Sir.“
„Er hat meine Aufzeichnungen mutwillig zerstört! Stundenlange Arbeit...“
Sir Galden unterbrach Eryn barsch: „Kein weiteres Wort mehr von Ihnen beiden. Sie folgen mir sofort in mein Büro.“
Im Büro angekommen setzte sich Sir Galden hinter seinen Schreibtisch, der akkurat aufgeräumt war, und durchbohrte die beiden Streithähne mit einem langen Blick aus seinen stahlblauen Augen. Dann forderte er Ravenor auf, seine Version der Geschichte zum Besten zu geben und anschließend Eryn. Sir Galden blieb ruhig und sachlich, aber es lag eine Schärfe in seiner Stimme, die nicht zu überhören war.
„Was für ein Problem haben Sie beide miteinander? Glauben Sie nicht, dass mir das bisher entgangen wäre. Rekrut Ravenor!“
Ravenor fühlte sich berufen, etwas zu sagen, schließlich wusste er nie, wann es besser war, die Klappe zu halten.
„Sir, bei allem Respekt, warum ist dieser verkrüppelte Magier bei unserer Truppe?“
Und Eryn – ausnahmsweise einmal mit Ravenor einer Meinung – fügte hinzu: „Bei den Magiern wäre ich viel nützlicher als hier.“
Mit einer Handbewegung brachte Sir Galden die beiden zum Schweigen.
„Was glauben Sie eigentlich, wo Sie hier sind? Auf dem Jahrmarkt bei ‚Wünsch-dir-was‘ für Kinder? Da liegen Sie falsch und ich werde Ihnen jetzt mal in aller Deutlichkeit die Lage erklären. Sie, Rekrut Ravenor, wissen gar nicht, was Respekt ist, also hören Sie bitte auf, davon zu reden. Wer Sie sind, oder besser, wer Ihr Vater ist, wissen wir alle. Schließlich hat die V. Kompanie ihren Namen erhalten wegen Leuten wie Ihnen. Aber Sie sind nicht mehr als irgendein anderer Gemeiner. Blut zählt hier nicht. Sie haben Ansätze für einen guten Schwertkämpfer, aber eine einzige Person gewinnt nie einen Krieg und im Kampf müssen Sie sich auf Ihre Kameraden verlassen können, wenn Sie nicht sehr schnell ein toter Schwertkämpfer sein
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